Zeitzeugin Helga Pollak-Kinsky

Zeitzeugin Helga Pollak-Kinsky

Erinnerungen an das Ghetto Theresienstadt 1943-1944

Im Rahmen der Ausstellung “Das Herz so schwer wie Blei. Kunst und Widerstand im Ghetto Theresienstadt”, die derzeit im Volkskundemuseum in Wien zu sehen ist, hat Frau Helga Pollak-Kinsky  als Zeitzeugin über ihre Zeit in Theresienstadt gesprochen.

Helga Pollak-Kinsky (1930-2020) wurde 1930 in Wien geboren, wo sie auch aufgewachsen ist. Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland flohen sie und ihr Vater zu Verwandten in die Tschechoslowakei. Von dort wurden sie im Januar 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort wurde sie von ihrem Vater getrennt und im Mädchenheim L 410, in Zimmer 28 gemeinsam mit 30 weiteren Mädchen auf 30 qm, untergebracht.

Bereits im Januar 1943 hat sie angefangen, Tagebuch zu schreiben. Von diesen Tagebüchern sind 2 erhalten. Sie wurden 2014 gemeinsam mit den Aufzeichnungen ihren Vaters, ergänzt durch historische Fakten und Gespräche mit Helga Pollak-Kinsky und Fotografien als Buch mit dem Titel “Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944” von Hannelore Brenner in der Edition Room 28 herausgegeben.

Bei der Veröffentlichung wurde an  diesem Tagebuch nichts geändert, beschönigt oder im Nachhinein hinzugefügt (vergl. Einleitung, S. 11). Damit ist es gelungen, das Erleben eines Mädchens im Lager unverfälscht wiederzugeben.

Das Tagebuch wurde von Helga Pollak-Kinsky im Alter von 12-14 Jahren geschrieben. Sie hat ihm dem “Bruder Spinne, wie sie es genannt hat, ihre Sorgen und Gedanken anvertraut. Sie berichtet von der Beengtheit des Quartiers und den Schwierigkeiten des Zusammenlebens, von Angst, Hunger, Deportationen und Abschieden, der Sehnsucht nach ihrer Mutter, aber auch von Geburtstagen und heimlichen Feiern zu den hohen Feiertagen, von verbotenem Schulunterricht und ihrem Wusch, Lernen zu können.  Auch von Menschen wie ihren LehrerInnen und Betreuerinnen, die unter den Bedingungen im Lager das menschenmöglichste versuchten, um den Mädchen das Leben erträglicher zu machen. Durch das Lesen von Büchern, das gemeinsame Singen von Liedern, darunter denen aus der Kinderoper Brundibar, die die Geschichte des Sieges des Guten über das Böse erzählt und die von Hans Krása in Theresienstadt komponiert und aufgeführt wurde,  oder den Malunterricht von Friedl Dicker-Brandeis. Dieser Malunterricht fand unter schwierigsten Bedingungen statt, da Zeichenpapier und Malstifte oder Farben nicht vorhanden waren und nur sehr schwer besorgt werden konnten; oft wurde auf Verpackungspapier gemalt. Helga Pollak-Kinsky berichtete, dass er besonderen Eindruck hinterlassen hat, da Dicker-Brandeis die Kinder aufforderte, nicht das zu malen, was sie sehen, sondern ihre Träume, Wünsche und Erinnerungen.

Am 23. Oktober 1944 wurde Helga Pollak-Kinsky in das KZ Auschwitz deportiert. Von dort wurde sie als KZ-Häftling in ein Außenlager des KZ Flossenbrück  verlegt, wo sie Zwangsarbeit bei der Munitionsherstellung leisten musste. Im April 1945 gelangte sie mit einem Gefangenentransport wieder nach Theresienstadt, wo sie mit ihrem Vater die Befreiung erlebte.

Von den ungefähr 60 Mädchen, die 1943/1944 im Zimmer 28 des Mädchenheims lebten, haben nur 15 den Holocaust überlebt.

Mit ihrem Engagement als Zeitzeugin “verbindet sie die Hoffnung, dass mit der Erinnerung an die Zeit im Ghetto Theresienstadt auch jene Werte weiterleben, die für sie wichtig wurden: Mitgefühl, Solidarität, Toleranz, Zivilcourage, Bildung, Kultur, Menschenrechte” (Zitat Umschlagtext).

Helga Pollak-Kinsky, Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944. Hg. Hannelore Brenner. Edition Room 28. Berlin 2014

http://www.edition-room28.de/

Siehe  auch:

Beitrag über die Ausstellung “Das Herz so schwer wie Blei”

http://www.diequerdenkerin.at/ausstellung-das-herz-so-schwer-wie-blei/

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