Secessionen

Secessionen

Wien, München, Berlin

Was sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Bereich der Kunst bereits angekündigt hatte, kam Ende des Jahrhunderts verstärkt zum Durchbruch: neue Themen, Malweisen, Ausstellungsgestaltungen. Dieser Bruch mit dem vorherrschenden Kunstbetrieb war eine der Voraussetzungen zur Durchsetzung der künstlerischen Moderne.

Einen wesentlichen Beitrag dazu haben die “Secessionen” in München (gegründet 1892), Wien (gegründet 1897) und Berlin (gegründet 1899) geleistet. Durch ihre Offenheit gegenüber einer Vielfalt an Stilen und neuen Kunstrichtungen wie dem Impressionismus und Symbolismus und ihre Internationalität und waren sie von zentraler Bedeutung für die weitere Kunstentwicklung in Europa.

Obwohl oftmals ihre Gründer und Hauptvertreter Franz von Stuck (1863-1928) in München, Gustav Klimt (1862-1918) in Wien und Max Liebermann (1847-1935) in Berlin im Mittelpunkt stehen, waren die Secessionen tatsächlich von ihrem Selbstverständnis her ein Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde der Jahrhundertwende, mit jeweils über 100 ordentlichen Mitliedern sowie der gleichen Anzahl an korrespondierenden Mitgliedern. Darüber hinaus wurden KünstlerInnen aus anderen Ländern zur Teilnahme an den Ausstellungen eingeladen, wie Edvard Munch aus Norwegen, Auguste Rodin aus Frankreich, Giovanni Segantini aus Italien oder Ferdinand Hodler aus der Schweiz.

Ernestine Schultze-Naumburg: Dame in Weiß, 1898, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Robert Oisin Cusack

Grund für die Abspaltungen von bestehenden Vereinigungen und Gründung dieser neuen Künstlervereinigungen war eine Auflehnung gegen die von den lokalen Kunstakademien vorgegebenen Kriterien, wie Kunstwerke auszusehen hatten und den Jurys, die für Ausstellungen eingereichte Kunstwerke anhand dieser Kriterien bewerteten und für Ausstellungswürdig befinden und progressive Kunstwerke ablehnen konnten. Wobei die damaligen Akademien noch Schlachtenbilder und die Historienmalerei – das sind Bilder mit Inhalten, die religiöse und geschichtliche Themen, Darstellungen von Inhalten aus Sagen und literarischen Werken zum Inhalt hatten – favorisierten. Die von den Akademien veranstalteten Ausstellungen waren zudem Großausstellungen mit tausenden Werken. Um alle Werke zeigen zu können, erfolgte die Hängung der Werke erfolgte vom Boden bis zur Decke, sodass die einzelnen Werke überhaupt nicht zur Geltung kamen.

Max Liebermann: Landhaus in Hilversum, 1901, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Jörg P. Anders

Für die Loslösung von den bestehenden Künstlergenossenschaften zentral war der Anspruch der Freiheit der Kunst – nicht zufällig trägt das Gebäude der Wiener Secession die Aufschrift “Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit”. Diese Freiheit betraf Malstile, Kunstrichtungen, neue Bildinhalte, eine internationale Ausrichtung und letztlich auch neue Ausstellungsräume bzw. Gebäude mit einer geänderten Präsentation der Werke in kleinen übersichtlichen Ausstellungen, in denen die einzelnen Kunstwerke entsprechend zur Geltung kommen konnten. Die noch heute in Ausstellungen übliche Hängung geht darauf zurück.

Dora Hitz: Kirschenernte, vor 1905, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie /Reinhard Saczevski

Obwohl sie die gleichen Ziele verfolgten und untereinander sehr gut vernetzt waren, gab es zwischen den Secessionen Unterschiede. So war die Münchner Secession, die 1892 als erste gegründete wurde, mit den Zeitschriften Jugend und Pan dafür ausschlaggebend, dass die Bewegung vor allem ab Mitte der 1890er Jahre zunehmend bekannter wurde. Die Wiener Secession stand für die Idee des Gesamtkunstwerks, d.h. für die Einbeziehung aller Künste einschließlich Architektur und Kunstgewebe. Die Berliner Secession wieder war die erste, die von Anfang an weiblicher Mitglieder aufnahm! In München und Wien wurden Künstlerinnen zwar eingeladen, an Ausstellungen teilzunehmen, durften aber nicht ordentliche Mitglieder werden (in Wien war dies überhaupt erst nach dem Zweiten Weltkrieg, ab 1949, möglich).

Carl Moll: Salon im Haus von Carl Moll auf der Hohen Warte, 1903, Wien Museum Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum

Die Ausstellung “Secessionen”, die vom Wien Museum in Kooperation mit der Alten Nationalgalerie Berlin gestaltet wurde, zeigt anhand von rund 140 Gemälden, Grafiken und Skulpturen von etwa 80 KünstlerInnen die Vielfalt der Malstile, Kunstrichtungen und Themen. Dabei haben die KuratorInnen, Ursula Storch und Ralph Gleis, darauf geachtet, den Künstlerinnen dieser Zeit und ihren Werken in dieser Ausstellung den ihnen gebührenden Platz einzuräumen.

Die Werke selbst wurden anhand von Themenbereichen zusammengestellt. Beispiele dafür sind die moderne Porträtmalerei, Kinderporträts, Einblicke in die Alltagswelt des Bürgertums und Darstellungen des städtischen Lebens. Bilder zu Arbeit und Alltag, die die negativen Auswirkungen der Industrialisierung darstellen und Themen aus dem Arbeitsleben, die bisher nicht als “bildwürdig” galten, wurden durch Künstler:innen der Secessionen Gegenstand der Kunst. Die Landschaftsmalerei, als Naturbetrachtung, Darstellung neuer Freizeitgestaltungen der StädterInnen oder Ausdruck von Gefühlen war im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Bildausschnitten, Licht und Schatten, Farbe oder Malweise war ebenfalls ein wichtiger Bereich für die KünstlerInnen der Secessionen.

Max Schlichting: Strandvergnügen, 1899, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilge

Der Anspruch der Secessionen nach der Freiheit der Kunst brachten im Laufe der Jahre auch Richtungsstreits und die Abspaltung ganzer Gruppen von KünstlerInnen von den Secessionen und die Gründung neuer Vereinigungen mit sich.

In Wien war es die Auseinandersetzung über den Stellenwert des Kunstgewerbes, aufgrund derer sich im Jahr 1905 Gustav Klimt, Kolo Moser, Josef Hoffmann und weitere Mitglieder dazu entschlossen, die Secession zu verlassen. In Berlin waren es Expressionisten, deren Werke zurückgewiesen wurden, die sich 1910 zur Neuen Secession zusammenschlossen. Im Jahr 1913 erfolgte die Abspaltung einer Neuen Secession in München. Diese Abspaltungen sind jedoch nicht als Zeichen von Auflösung zu deuten, sondern als Folge der überaus lebendigen, sich ständig verändernden und weiterentwickelnden Kunstszene dieser Jahre.

Die Ausstellung “Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann” wird im Wien Museum noch bis 13. Oktober 2024 gezeigt!

Adresse: Wien Museum, Karlsplatz 8, 1040 Wien. https://www.wienmuseum.at/besucherinformation

Hinweise: Der Ausstellungsraum ist klimatisiert, ein Besuch daher auch im Sommer ein Vergnügen.

Der Eintritt ins Wien Museum ist zwar frei, für diese Sonderausstellung ist jedoch ein Eintritt zu bezahlen (freier Eintritt nur am 1. Sonntag im Monat)

Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag 9:00-18:00 Uhr, Donnerstag 09:00-21:00 Uhr, Samstag, Sonntag 10:00-18:00 Uhr

Katalog: Secessionen. Klimt Stuck Liebermann. Hg. Ralph Gleis, Ursula Storch. Hirmer Verlag, München 2023

Plakat Secessionen
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