Michaelina Wautier

Michaelina Wautier

Eine Ausnahmekünstlerin

Michaelina Wautier (1614-1689) war eine flämische Barockmalerin, die zu den bedeutendsten KünstlerInnen ihrer Zeit gehörte. Davon überzeugen können sich alle, die die Ausstellung “Michaelina Wautier, Malerin” im Kunsthistorischen Museum in Wien besuchen. Dort werden nach rund 330 Jahren zum ersten Mal fast alle ihre erhaltenen Werke, soweit sie bekannt sind, gezeigt. Insgesamt 29 Gemälde, eine signierte Zeichnung und eine Druckgrafik nach einem verlorenen Werk von Michaelina Wautier sowie Gemälde ihrer Zeitgenossen und Vorbilder sind in der Ausstellung zu sehen.

Michaelina Wautier war in ihrer Zeit eine Ausnahmekünstlerin, deren Vielseitigkeit durch die in der Ausstellung präsentierten Werke deutlich wird. Sie war eine Meisterin des Porträts, die durch großes Einfühlungsvermögen sehr ausdrucksstarke Werke schuf, malte religiöse Werke, monumentale Historienbilder und Blumenbilder. Wie ihr Selbstporträt zeigt, war sie stolz darauf, als Malerin tätig zu sein und Erfolg zu haben.

Michaelina Wautier, Selbstporträt, um 1650. Privatsammlung. Foto © Museum of Fine Arts, Boston

Geboren wurde Michaelina Wautier 1614 in Mons in eine Familie von gebildeten und unabhängigen Grundbesitzern und Kaufleuten. Mons gehörte damals zu den spanischen Niederlanden (heute Belgien). Die Zeit in der sie aufwuchs, waren politisch unruhige und kriegerische Jahre. Unbekannt ist, wie ihre Jugendjahre verlaufen sind. Von ihren Bildern wissen wir jedoch, dass sie mit Sicherheit eine gute Bildung und sehr fundierte Ausbildung als Malerin erhalten haben muss.

Da es kaum schriftliche Dokumente über das Leben der Künstlerin gibt, sind ihre Bilder die wichtigsten Quellen, die über ihr Schaffen Auskunft geben. Ein Hinweis darauf, welche Bedeutung Lesen und Bildung für Mädchen und für die Künstlerin selbst hatten, ist das Bild “Die Erziehung Mariens”, in der Maria mit einem Buch in der Hand beim Lesen dargestellt wird. Ein Bild, auf dass sie selbst sehr stolz war und mit vollem Namen signierte, mit der Jahreszahl versah und ausdrücklich darauf vermerkte: invenit et fecit (erdacht und ausgeführt).

Michaelina Wautier, Die Erziehung Mariens, 1656. Mauritshuis, Den Haag. Leihgabe aus einer Privatsammlung, mit freundlicher Unterstützung der Hoogsteder Museum. Foundation Foto: gemeinfrei

Mit diesem Vermerk machte sie deutlich, dass sie andere Künstler nicht kopierte, sondern eigenständig ihre eigene Bildsprache entwickelt hat. Inspiriert wurde sie von Werken herausragender Künstler wie Anthonius van Dyk, Gaspar de Crayer, Theodoor van Loon, Jacob van Oost.

Nach dem Tod ihrer Eltern lebte sie bei ihrem Bruder Charles, mit dem sie sich wahrscheinlich ein Atelier teilte, in Brüssel. Charles Wautier war ein angesehener Maler und ab 1651 Mitglied der Brüsseler Malergilde. Tatsache ist, dass beide Zugang zum Brüsseler Hof hatten. Der damalige Statthalter der Spanischen Niederlande, der Habsburger Erzherzog Leopold Wilhelm, ein bedeutender Förderer der Künste, sammelte ihre Werke. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass vier ihrer Werke ins Kunsthistorische Museum gelangt sind.

Die heute von ihr bekannten Werke stammen aus der Zeit von 1646 bis 1659. Ob sie nach diesem Zeitpunkt noch künstlerisch tätig war, kann nach derzeitigem Forschungsstand nicht gesagt werden. Gestorben ist Michaelina Wautier 1689 in Brüssel. Danach geriet ihr Schaffen in Vergessenheit, einzelne Werke wurden männlichen Künstlern zugeordnet.

Michaelina Wautier, Die fünf Sinne (Der Geruchsinn), 1650. Rose-Marie and Eijk Van Otterloo Collection. Foto © 2025 Museum of Fine Arts, Boston

Um es ganz deutlich zu sagen: es stinkt tatsächlich zum Himmel, dass die von Männern beherrschte Kunstgeschichtsschreibung Michaelina Wautier jahrhundertelang nicht beachtet, ihr Schaffen geringgeschätzt und vergessen hat.

Begonnen hat die Wiederentdeckung der fast vergessenen Künstlerin ebenfalls im Kunsthistorischen Museum, als die renommierte Kunsthistorikerin Katlijne Van der Stighelen vor rund dreißig Jahren in den Depots des Museums auf das großformatige Ölgemälde “Triumph des Bacchus” aus der Mitte des 17. Jahrhunderts aufmerksam wurde, das von Michaelina Wautier ausgeführt worden war.

Danach begann sie, sich mit dieser Künstlerin und deren Bruder Charles, der ebenfalls Maler war, zu befassen, deren Geschichte zu erforschen, in akribischer Kleinarbeit Fakten zusammenzutragen und dem Verbleib ihrer Bilder nachzugehen. Im Jahr 2018 hat sie in Antwerpen die erste Ausstellung über das Geschwisterpaar kuratiert.

Die Ausstellung “Michaelina Wautier, Malerin” im Kunsthistorischen Museum präsentiert mit dem Werk der Künstlerin und ihrer Zeitgenossen gleichzeitig das Ergebnis jahrelanger intensiver Recherche, umfangreicher kunsthistorischer Forschungsarbeit und detektivischer Suche nach den Werken, ohne die diese Ausstellung nicht möglich gewesen wäre. Vor allem erinnert sie uns daran, dass es weibliche Künstlerinnen gegeben hat.

Die sehr sehenswerte Ausstellung im Kunsthistorischen Museum entstand in Kooperation mit der Royal Academy of Arts in London und wurde von Gerlinde Gruber, Kuratorin für flämische Malerei im Kunsthistorischen Museum Wien, kuratiert. Gemeinsam mit Julien Domercq haben sie und Katlijne Van der Stighelen den Katalog zur Ausstellung herausgegeben (siehe unten).

Die Ausstellung ist noch bis 22. Februar 2026 im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen!

Adresse: Kunsthistorisches Museum Wien, Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien https://www.khm.at/

Öffnungszeiten: Täglich 10:00-18:00 Uhr, Donnerstag 10:00-21:00 Uhr. Wichtig: für diese Ausstellung ist ein Time-Slot Ticket erforderlich!

Katalog: Michaelina Wautier. Hg. Gerlinde Gruber, Katlijne Van der Stighelen, Julien Domercq. Belser Verlag, Stuttgart 2025

Michaelina Wautier Blumengirlande mit einem Schmetterling, 1652. Het Noordbrabants Museum, ’s-Hertogenbosch (Niederlande), Dauerleihgabe aus Privatsammlung. Foto: Peter Cox

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