Essenslieferant:innen

Essenslieferant:innen

Zwischen Pick-up & Drop-off

Museen haben nicht nur die Aufgabe, zu sammeln und sich mit vergangenen Zeiten zu beschäftigen, sondern können ihren Auftrag auch als Wissensvermittlung über Lebens- und Arbeitssituationen der Gegenwart begreifen.

In diesem Sinne hat das Wien Museum eine Ausstellung mit dem Titel “Zwischen Pick-up & Drop-off. Wer unser Essen liefert” gestaltet. Online-Essensbestellungen sind ein stark wachsender Markt, dessen Aufstieg durch die Pandemie und veränderte Konsumgewohnheiten beschleunigt wurde.

Plakat zur Ausstellung „Zwischen Pick-up & Drop-off. Wer unser Essen liefert“, Filmstill: Ana Mikadze, Grafik: Cati Krüger

Der Kurator der Ausstellung, Fabio Hofer, der neben seiner künstlerischen Tätigkeit selbst als Essenzusteller arbeitet, gibt einen Einblick in die Arbeitssituation jener Menschen, die das online bestellte Essen liefern. Hintergrundinformationen und fünf sehr beeindruckende Videos mit FahrradbotInnen geben einen Einblick in die Arbeitswelt der in diesem Bereich Tätigen. Vor allem durch die fünf kurzen Videos mit Abdul, Rasa, Andio, Miki und Ebi wird die Situation der EssenslieferantInnen greifbar.

In Österreich gibt es rund 4.500 EssenslieferantInnen, davon 3.000 in Wien. Als EssenszustellerInnen arbeiten vor allem Männer, nur rund sind15 % Frauen. Rund 90% der FahrerInnen sind Flüchtlinge oder MigrantInnen. Ebi, der aus dem Iran fliehen musste, berichtet in dem mit ihm gedrehten Video, dass dies der einzige Job war, den er mit seinen Deutschkenntnissen machen konnte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Drei Unternehmen dominieren den Markt, Lieferando, Foodora und Wolt. Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Beschäftigungsmodelle, als Angestellte oder freie Dienstnehmer. Ende 2024 gab es insgesamt 913 Angestellte und etwa 2000 freie DienstnehmerInnen.

Allerdings beschäftigt nur Lieferando ausschließlich feste Angestellte. Der in diesem Fall bezahlte Stundenlohn beträgt derzeit (Stand Jänner 2025) 10,78 Euro brutto. In diesem Fall gibt es eine Arbeitszeitbeschränkung von max. 40 Stunden pro Woche, einen Kollektivvertrag, Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge, bezahlten Urlaub, eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab dem 1. Tag. Die Betriebsmittel (Fahrrad) werden von der DienstgeberIn zur Verfügung gestellt, bei der Nutzung des eigenen Fahrrades wird Kilometergeld bezahlt. Außerdem gibt es einen Betriebsrat. Andi, der Betriebsrat ist, erzählt im Video, dass dieser gegründet wurde, als die Werkstatt der Firma, in der man das Fahrrad reparieren konnte, geschlossen werden sollte.

Nachtrag vom 19. März 2025: Wie die Tageszeitung Der Standard am 18. März berichtete, plant Lieferando, alle fix Angestellten ArbeitnehmerInnen zu kündigen und nur mehr mit freien DienstnehmerInnen zu arbeiten.

Foodora bietet zwar eine Wahlmöglichkeit zwischen Festanstellung und freiem Dienstvertrag an, in der Praxis ist die Möglichkeit für eine feste Anstellung jedoch selten gegeben, sodass mehr als 90 % als frei Dienstnehmer arbeiten (müssen). Bei Wolt werden nur freie Dienstverträge vergeben.

Freie Dienstverträge bedeuten, dass die Arbeit auf Honorarbasis erfolgt, d.h. die Bezahlung erfolgt pro erbrachter Lieferung. Die Betriebsmittel (Fahrrad) müssen selbst bereitgestellt werden, die Zahlung eines Kilometergeldes liegt im Ermessen des Dienstgebers. Es gibt keine Arbeitszeithöchstgrenze, keine bezahlten Urlaubstage und Sonn-, Feiertagsund Nachzuschläge liegen im Ermessen des Dienstgebers. Eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erfolgt ab dem 4. Tag durch die Österreichische Gesundheitskasse.

Als Beispiel wird in der Ausstellung eine Tafel mit einer exemplarischen 4-Stunden-Schicht von 18:45 bis 22:45 Uhr eines Foodora-Fahrers im November 2024 gezeigt, der in diesem Zeitraum eine Strecke von 39,6 km zurücklegte und Einnahmen von insgesamt € 57,04 (brutto), davon € 5,- Trinkgeld, hatte.

Foto: Fabio Hofer

Abdul, der aus Syrien nach Österreich gekommen ist, musste hier von Null anfangen und nicht nur Deutch lernen, sondern auch wie man in Österreich lebt. Er war Essenlieferant bei verschiedenen Firmen und arbeitete an sechs Tagen in der Woche jeweils 10 Stunden, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Als besonders schwierig empfindet er, dass er als Essenzusteller keinen Schutz hat, weder in der Firma noch auf der Straße oder beim Kunden.

Miki, die aus der Türkei stammt, hatte zwar einen Dienstvertag, dieser wurde ihr nach einem Jahr aber gekündigt, da sie zu viele Krankenstandstage hatte. Sie berichtet, dass nicht alle Firmen bei sehr schlechtem Wetter die Essenzustellungen stoppen würden und die Arbeit mit durchnässter Kleidung leicht zu Erkältungen führt.

Rasa kam mit einem Erasmus-Freiwilligen-Dienst nach Wien und nahm danach einen Job als Fahrradbotin an, um sich ihr Studium der Kunstgeschichte zu finanzieren, das sie mittlerweile abgeschlossen hat. Sie nimmt sehr genau wahr, wie abschätzig EssenzustellerInnen oft behandelt werden. Heute ist sie im Riders Collective in Wien aktiv. Das Riders Collective ist nach eigener Darstellung auf der Homepage “eine Initiative, die zwischen den Ridern und der Gewerkschaft arbeitet und versucht, die Fahrer*innen über ihre Rechte aufzuklären und Solidarität zwischen den Ridern aufzubauen, unabhängig davon, für welches Zustellunternehmen sie arbeiten”.

Abschließend zeigt die Ausstellung ganz konkrete Möglichkeiten auf, wie alle, die Essen online bestellen, EssenslieferantInnen unterstützen können. Einige Beispiele dafür sind: Es ist wichtig, die vollständige Adresse, einschließlich Stockwerk und Türnummer, sowie bei großen Wohnblöcken Orientierungshilfen anzugeben. Bei Lieferungen an den Arbeitsplatz hilft es, wenn man zum Eingang kommen oder die Bestellung abgeben lassen kann. Wird vorzugsweise in der Nachbarschaft bestellt, haben die ZustellerInnen kürzere Lieferwege. Im Hinblick auf die Bezahlung sollte bevorzugt die Option “Online-Bezahlung” gewählt werden, um den ZustellerInnen den erhöhten Verwaltungsaufwand bei Barzahlungen zu ersparen. Trotzdem ist Trinkgeld in bar gerne willkommen!

Die Ausstellung ist noch bis 25. Mai 2025 im Wien Museum zu sehen!

Die Ausstellung befindet sich im 3. Stock des Museums, freier Eintritt!

Adresse: Wien Museum Karlsplatz, Karlsplatz 8, 1040 Wien https://www.wienmuseum.at/wien_museum

Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag 9:00-18:00 Uhr, Donnertag 9:00-21:00 Uhr, Samstag, Sonntag 10:00-18:00Uhr

Wien Museum im November 2023 (Lothringerstraße)
Foto: Christine Koblitz

.

Die Kommentare sind geschlossen.