Frauen gestalten ihr Leben
Für diesen Beitrag sprach Elisabeth Kolbry mit Sol Haring
Wie entstand das Videoprojekt? Was war die Idee des Projektes?
Die Idee entstand aus der Beobachtung und der gerontologischen Diskussion, dass ältere Frauen in der Öffentlichkeit klischeehaft dargestellt werden, auf der Parkbank sitzend, pflegebedürftig oder als Frauen, die mit Schönheits-OPs den Falten trotzen. Mein Ziel war es, neue, realitätsnahe Bilder vom Altern zu zeigen – Bilder, die Vielfalt, Stärke und Lebensfreude vermitteln. Die Porträtierten erzählen offen von ihrem Alltag, von Herausforderungen und ihren Zukunftsplänen. Damit wolle ich zum Nachdenken anregen – über Altersbilder, über Rollen und über das, was möglich ist, wenn Frauen ihr Leben selbstbestimmt gestalten. Ein Video in den Neuen Medien mit genau diesen Darstellungen soll ein vielfältiges Altersbild in die Öffentlichkeit tragen.
Welchen Inhalt hat das Projekt?
Im Videoprojekt „Selbstbestimmtes Altern – Frauen gestalten ihr Leben“ ging es darum, zu zeigen, wie Frauen in der nachberuflichen Lebensphase ihr Leben aktiv, selbstbestimmt und auf ganz unterschiedliche Weise gestalten. Dafür wurden sieben Frauen aus verschiedenen Regionen Österreichs mit großem Interesse für ihre Lebenserfahrungen, ihre Wünsche und Zukunftspläne mit der Kamera begleitet. Im Mittelpunkt standen dabei ihre Aktivitäten, ihre Lebensentscheidungen, aber auch ihre Sicht auf das Älterwerden. In der Gesamtzusammenschau wurden drei anerkannte Gerontologinnen bzw. Geragoginnen (Gertrud Simon, Christine Benischke und Claudia Stöckl) gebeten, die Videoportraits zu kommentieren.
Wer war der Projektträger? Wie erfolgte die Finanzierung?
Projektträger war der Verein STRA-Laboratorium – Medienproduktion für Bildung und Forschung. Die Finanzierung erfolgte durch eine Förderung durch das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, sowie mit Eigenmitteln des Vereins.
Wer hatte die Projektleitung über?
Die Projektleitung, die Erstellungen des inhaltlichen Konzeptes für die Filme sowie die Organisation der Drehtage, die Regie und der Schnitt sind durch mich erfolgt.

Wann wurde das Projekt durchgeführt?
Das Projekt wurde in den Jahren 2024 und 2025 durchgeführt.
Was war das Ziel des Projekts?
Das Ziel des Projekts war, selbstbestimmte Frauen in ihrer nachberuflichen Lebensphase zu porträtieren und dabei unterschiedliche Lebensentwürfe, Perspektiven und Aktivitäten filmisch zu dokumentieren. Auf der Grundlage von Interview- und dokumentarischem Videomaterial wurden sieben Videoporträts von älteren Frauen aus Österreich gestaltet, die die Lebenssituation von älteren, selbstbestimmten Frauen, ihre gesellschaftliche Teilhabe und ihren Zugang zum lebenslangen Lernen zeigen.
Wie erfolgte die Auswahl der Frauen?
Im Projekt ging es mir darum zu zeigen, dass Frauen auch nach dem Berufsleben ihr Leben aktiv gestalten und selbstbestimmt führen. Ich wollte das Alter(n) so zeigen, wie es ist – mitten aus dem Leben der Frauen heraus. Dafür habe ich aktive, selbstbestimmte Frauen über 60 ausgewählt, die selbst Multiplikatorinnen sind – die älteste ist über 80.
Ilse, 86, hat selbst bis zum 68. Lebensjahr im Pastoralamt gearbeitet dann hat sie TrainerInnen für das SelbA Programm (Selbständig und Aktiv) ausgebildet. Jetzt geht sie mit ihrem Mann gemeinsam in eine SelbA Gruppe, sie schätzt die Gemeinschaft.
Maria, 77, war Ergotherapeutin und Trainerin für Validation nach Naomi Feil. Trotz hochgradiger Sehbehinderung lebt sie selbstbestimmt als Autorin und Musikerin.
Liesl, 76, ist Geschäftsführerin der beratungsgruppe.at und arbeitet mit Migrantinnen in Wien. Sie fürchtet sich weder vor dem Älterwerden noch vor dem Sterben – sie spricht von einer „tollen Kontinuität“, die sie durchs Leben trägt.
Uli, 71, war Lehrerin und später im Sensenwerk-Museum aktiv – die Führungen dort waren für sie und die BesucherInnen gleichermaßen bereichernd. Sie ist wenige Monate nach dem Interview überraschend verstorben; in einem Projekt über Selbstbestimmung und neue Altersbilder spüre ich umso deutlicher, wie früh ihr Leben endete.
Ingrid, 70, war Geschäftsführerin eines Biokosmetikunternehmens – dann stellte sie sich die Frage: „Was will ich in diesem Leben eigentlich noch erleben?“ Die Destille, die sie heute betreibt, ist für sie eine Metapher fürs Leben: Kälte, Hitze und Druck setzen ihr zu – und bringen das Wesentliche zum Vorschein.
Für Eileen, 67, ist der Umgang mit neuen Technologien „ein Schlüssel zur Unabhängigkeit“ – deshalb bietet sie Einführungskurse und Smartphone-Stammtische an. Sie ist kein digital native, „wie man sieht“, sagt sie lachend. Bei ihren Kursen stellt sie stets die Teilnehmenden mit ihren individuellen Lernwünschen in den Mittelpunkt.
Danielle, 64, ist Psychologin – mit 45 Jahren wurde ihr bewusst, wie wichtig das Thema Altern ist. Heute leitet sie den Lehrgang „Aktiv im Alter. Gemeinsam gestalten“ und verfolgt den Ansatz, anderen zu zeigen, wie man mit Freude und den eigenen Fähigkeiten in diese Lebensphase geht.
Welche Rolle spielt im Leben der älteren Frauen lebenslanges Lernen?
Lebenslanges Lernen ist für die Lebensgestaltung der porträtierten Frauen zentral. Was sie lernen möchten, knüpft an ihre Interessen an und steht in enger Verbindung zu ihrem Alltag. Selbstbestimmung bedeutet für sie auch, eigene Lösungen zu finden, um aktiv zu bleiben – trotz altersbedingter Einschränkungen. So bewahren sie eine positive Haltung zum eigenen Altern.
Lebenslanges Lernen zeigt sich in den Porträts auf unterschiedliche Weise: als Lernen für sich selbst, als Weitergeben von Wissen oder als mutiger Neuanfang.
Unabhängigkeit, Gemeinschaft, Neues wagen, Sinn finden, Erfahrung weitergeben und gesellschaftliche engagieren – das steht bei den Porträtierten im Mittelpunkt.
Welches Ziel wurde mit der Gesamtdarstellung verfolgt?
In der Gesamtdarstellung der Inhalte werden in Form von Expertinneninterviews die Einzelporträts in einen weiteren gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenhang gesetzt. Das Gesamtvideo befasst sich mit den Leitthemen Selbstbestimmtheit, soziale Teilhabe, lebenslanges Lernen, generationsübergreifende Aktivitäten, Gemeinschaft als soziales Netzwerk, Beziehungen sowie Gesundheit und Wohlbefinden.
Die Interviewten sowie die Expertinnen betonen in den Videos, wie wichtig ihnen Gemeinschaft als Ausdruck selbstbestimmten Handelns ist, als bewusste Entscheidung für soziale Verbundenheit und aktive Mitgestaltung.
Was sind aus der Sicht der Projektleitung die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Videos?
Eine wichtige Erkenntnis ist erstens: Älterwerden ist ein Prozess – offen, vielfältig und gestaltbar. Die Frauen im Projekt zeigen, dass es nie zu spät ist, etwas Neues zu beginnen, sich einzubringen oder Dinge zu hinterfragen.
Zweitens hat sich gezeigt, wie stark Bilder vom Altern wirken – sowohl gesellschaftlich als auch individuell. Mit den Videos wollten wir diesen Bildern etwas entgegensetzen: Erzählungen, die berühren, irritieren, stärken – und neue Perspektiven öffnen.
Drittens: Selbstbestimmung braucht Spielraum. Die Frauen nehmen sich diesen Raum – durch Lernen, durch Engagement, durch Eigenwillen. Sie leben diese Lebensphase bewusst -gleichzeitig denken sie über ihr Leben inmitten der Gesellschaft nach – sie sind reflektiert und achtsam. Das hat mich beeindruckt – und ich hoffe, dass es auch andere ermutigt.
Als Bildungswissenschaftlerin sehe ich auch, wie wichtig die Lernräume der Frauen -für sie selbst, für ein solidarisches Miteinander und für die Entstehung neuer Altersbilder sind. Ihr Sichtbarwerden ist nicht nur individuell bedeutsam, sondern gesellschaftlich relevant.
Wie können die Videos eingesetzt werden?
Die Videos wurden als Lehr- und Lernvideos konzipiert – für alle Generationen und für vielfältige Bildungseinsätze. Meine Vision ist, dass sie auch von Frauen in der nachberuflichen Phase angeschaut werden. Dass sie gut ankommen, aber auch Reibung erzeugen – offen diskutiert, hinterfragt und weitergedacht werden.
Dadurch, dass die Videos in die Sicht der Frauen auf ihr Leben, ihre Erfahrungen und ihre Wünsche für die Zukunft Einblick geben, sind sie ein wichtiger Beitrag zum Abbau altersbezogener Stereotype.
Frauen 60plus sind nicht nur Adressatinnen, sie sind aktive Akteurinnen gesellschaftlicher Teilhabe. Genau darin liegt das Potenzial: als Grundlage für neue, mutige Angebote, die älteren Frauen Räume zur Mitgestaltung öffnen – und sie bestärken, sich einzubringen.
Die Videos sind alle kostenlos auf YouTube zu sehen!
Gesamtdarstellung:
Selbstbestimmtes Altern – Frauen gestalten ihr Leben. Gesamtdarstellung der Inhalte (25:10 min): https://youtu.be/5T4-F0tXlfg
Einzelportraits:
Videoporträt Ilse Sablatnig: Denn das Leben findet heute statt (6:51 min): https://youtu.be/UqAa1HhxXk0
Videoporträt Ingrid Schreier: Dem Leben einen neuen Rahmen geben (6:51 min): https://youtu.be/XQDHW-MWJEk
Videoporträt Ulrike Stampler: Das Leben ist schön, mach was draus (12:34min): https://youtu.be/ZK1A_-vOoLA
Videoporträt Danielle Bidasio: Motivation ist Bewegung für die Seele (6:53 min): https://youtu.be/c8wsVUZES6Y
Videoporträt Eileen Eggeling: Technologie ist ein Schlüssel zur Unabhängigkeit! (8:03 min): https://youtu.be/usVLO4WzjtI
Videoporträt Maria Alraune Hoppe: Ich kann mein Leben selbst gestalten (9:24 min): https://youtu.be/9HcfCEBZiVQ
Videoporträt Liesl Frankl: Zeitreise (5:39 min): https://www.youtube.com/watch?v=jXgsydPUuDU