Geymüllerschlössel

Geymüllerschlössel

Biedermeier und moderne Kunst

Das Geymüllerschössel in Wien-Pötzleinsdorf im 18. Wiener Gemeindebezirk, ist heute eine Expositur des MAK – Museum für angewandte Kunst, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in den renovierten Räumlichkeiten eine mit Originalmöbeln ausgestattete Sommerresidenz der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu zeigen und dieses historische Ambiente gleichzeitig mit zeitgenössischer Kunst in Verbindung zu setzen. Die permanente Präsentation wird dafür durch wechselnde Ausstellungen ergänzt. Im Jahr 2021 werden unter dem Titel “Dissolution” Keramikskulpturen von Erwin Wurm in den Räumlichkeiten vorgestellt.

Franz Sartory, Pötzleinsdorf, 1824 © MAK

Die Geschichte des Gebäudes wird in einem neuen, von Kuratorin Kathrin Pokorny-Nagel, gestalteten Dokumentationsraum im Erdgeschoss präsentiert. Grundlage dafür war ein einjähriges Forschungsprojekt, in dem durch intensives Quellenstudium im MAK-Archiv, in Archiven in Wien und Niederösterreich und den Familienarchiven der ehemaligen BesitzerInnen die wechselvolle und bis in das Jahr 1808 zurückreichende Geschichte aufgearbeitet wurde.

Erbaut in den Jahren 1808 bis 1810 im damaligen Wiener Vorort Pötzleinsdorf als Sommerresidenz für den Bankier Johann Jakob Geymüller, hatte es nach seinem Tod im Jahr 1834 wechselnde Besitzer bis es im Jahr 1888 von Isidor Mautner gekauft wurde und für 50 Jahre Lebensmittelpunkt der Familie Mautner, zu dieser Zeit eine der bedeutendsten Unternehmerfamilien Wiens, wurde. Isidor Mautner, Besitzer eines der größten Textilkonzerne Europas, erwarb das Geymüllerschlössel ursprünglich als Sommerresidenz; erst später wurde es “winterfest” und dauerhaft bewohnbar gemacht. Zu dieser Zeit war das Geymüllerschlössel als Mautner-Villa bekannt, ein offenes Haus, in dem Hausmusik, Dichterlesungen, Theateraufführungen stattfanden und das zu einem Zentrum des kulturellen Lebens der Wiener Gesellschaft wurde.

Geymüller-Schlössel, Wien (Haupteingang). Foto: Elisabeth Kolbry

Der Zerfall der Donaumonarchie mit Ende des Ersten Weltkrieges und die Weltwirtschaftskrise führten zum Zusammenbruch des Textilunternehmens, sodass Isidor Mautner im Jahr 1929 gezwungen war, seine Besitzungen in Pötzleinsdorf an die Österreichische Nationalbank zu verpfänden. Allerdings konnte er ein lebenslanges Wohnrecht für seine Frau Jenny erwirken. Jenny Mautner machte nach dem Ableben ihres Mannes im Jahr 1930 die Villa zu ihrem Wohnsitz. Als sie am 9. April 1938 starb, hatte die Familie keine Mittel, das Anwesen von der Österreichischen Nationalbank zurückzukaufen.

Dazu kam, dass aufgrund der Nürnberger Gesetze, die mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 in Kraft getreten waren, die Mitglieder der Familie Mautner als jüdisch galten und gezwungen waren, das Land zu verlassen. Bis Mai 1939 gelang den meisten die Flucht; nur der älteste Sohn wurde 1944 mit einem Sammeltransport in ein Vernichtungslager gebracht und ermordet.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich ging die Forderung der Österreichischen Nationalbank gegenüber den Erben mit 23. April 1938 an die Deutsche Reichsbank über. Bereits im Dezember 1938 wurde das Mobiliar der Villa im Dorotheum versteigert. Da das Gebäude selbst seit September 1938 unter Denkmalschutz stand, konnte ein Abriss zwar verhindert werden, doch ließ man das Gebäude während des Krieges zunehmend verfallen. Im Jahr 1944 wurde der “jüdische Privatbesitz” auch formell arisiert.

Geymüller-Schlössel, Wien (Parkseite). Foto: Elisabeth Kolbry

Nach dem Zweiten Weltkrieg verkaufte die Österreichische Nationalbank das mittlerweile sehr heruntergekommene Gebäude an die Republik, wobei der Generaldirektor der Österreichischen Staatsdruckerei, Dr. Franz Sobek, den Kaufpreis mit eigenen Mitteln bezahlte, wofür er ein dauerndes Wohnrecht erhielt. Bis 1965 leitete er die Renovierung des Gebäudes. Nachdem ihm die Republik im Jahr 1965 sein Wohnrecht abgegolten hatte, wurde das Gebäude eine Außenstelle des Museums für angewandte Kunst.

Durch Renovierungen Ende der 1980er Jahre wurden die Fassade und Teile der Ausmalung der Innenräume wieder in den Originalzustand versetzt. Die Inneneinrichtung erfolgte mit Mobiliar aus den Jahren 1800 bis 1840 (Empire- und Biedermeiermöbel) aus den Beständen des Museums. Besondere Sorgfalt wurde der textilen Ausstattung und der Tapezierung der Möbel gewidmet, sodass ein originalgetreuer Einblick in die Ausstattungskunst des Biedermeier ermöglicht wird. Ebenfalls im Geymüllerschlössel untergebracht ist die Uhrensammlung von Dr. Sobek, die dieser dem Museum vermacht hat und die Altwiener Uhren aus der Zeit von 1760 bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umfasst.

Geymüller-Schlössel, Wien (Seitenansicht). Foto. Elisabeth Kolbry

Virtueller Rundgang: Für alle, die sich das Haus nicht besuchen können, wurde die Möglichkeit eines virtuellen Rundgangs durch die Räumlichkeiten geschaffen.

Virtueller Rundgang durch das Gebäude: https://artsandculture.google.com/streetview/mak-expositur-geym%C3%BCllerschl%C3%B6ssel-innenraum/PwHbgIAo7plaGQ?sv_lng=16.30730688342882&sv_lat=48.24377220610113&sv_h=265.17&sv_p=-13.299999999999997&sv_pid=byx7JOC4JS8gJIeN5VwYGg&sv_z=1

Achtung: auf der rechten Seite haben Sie die Möglichkeit, zu navigieren: 0: Erdgeschoß, 1: 1. Stock, mit dem Kompass: Richtung festlegen oder ändern, mit + und – : vergrößern und verkleinern.

Virtueller Einblick in den Park: https://artsandculture.google.com/streetview/mak-expositur-geym%C3%BCllerschl%C3%B6ssel-park/9wGMMPFSlGcaQg

Ausstellungsstücke “Dissolution”, Erwin Wurm: https://mak.at/erwinwurm

Geymüllerschlössel (Parkansicht). Foto: Elisabeth Kolbry

Adresse: MAK-Expositur Geymüllerschlössel, Pötzleinsdorfer Straße 102, 1180 Wien

Öffnungszeiten: bis 5. Dezember 2021; Samstag, Sonntag 11:00 – 18.00 Uhr

Anfahrt: Straßenbahnlinie 41 bis zur Endstation Pötzleinsdorf; dann entweder: 5 Minuten zu Fuß die Pötzleinsdorfer Straße stadtauswärts bis zur Khevenhüllerstraße weitergehen, oder: mit der Buslinie 41A eine Station bis zur Station Khevenhüllerstraße weiterfahren.

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