Bilder hören

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…und Musik sehen

Synästhesie ist eine besondere, angeborene Fähigkeit, durch die bei der Stimulation eines Sinnes zusätzliche Sinneswahrnehmungen ausgelöst werden. Dabei sind alle Verbindungen zwischen den Sinne möglich. Beispielsweise entsteht beim Hören von Tönen der Eindruck von Farbe und Form, oder es erfolgt eine dauerhafte Zuordnung von Farben zu bestimmten Zeichen; auch ein Geruch kann Farbwahrnehmung erzeugen, und Gefühlszustände können farbig oder als Form wahrgenommen werden.

Wassily Kandinsky (1866-1944), einer der wesentlichen Vertreter des deutschen Expressionismus, Pionier der abstrakten Malerei und von 1922-1933 Lehrer am Bauhaus, war Synästhetiker. D.h. wenn er Musik hörte, sah er Farben und wenn er Farben sah, hörte er Töne.

In seinem 1912 erschienenen theoretischen Werk “Über das Geistige in der Kunst” hat er sich intensiv mit der Frage des künstlerischen Inhalts, Form und Farbe auseinandergesetzt. Farben hat er in vier Hauptklänge eingeteilt: warm (gelb) und kalt (blau), hell (weiß) und dunkel (schwarz). Gleichzeitig ordnete Kandinsky den Farben verschiedene Eigenschaften, Formen und Klänge zu. Als Beispiele sollen hier folgende genannt werden: helles, warmes, Rot: Fanfare, Zinnoberrot: Tuba. Rot war für Kandinsky die männliche Farbe, der das Quadrat als männliche Form entsprach. Helles Blau: Flöten, dunkles Blau: Cello, Nachtblau: Orgel. Blau war für Kandinsky die weibliche Farbe, der Kreis die weibliche Form.

Google Arts hat nun durch ein spannendes Experiment dieses Hören von Farben nachvollziehbar gemacht. Auf der Grundlage der Schriften Kandinskys wurde nachvollziehbar gemacht, wie er Farben und Klänge empfand. Über einen Algorithmus wurde eine Interpretation der Klänge erstellt, wie Wassily Kandinsky sie beim Malen des Bildes “Gelb-Rot-Blau” (1925) gehört haben könnte.

Die Erstellung des interaktiven Werkes eröffnet die Möglichkeit, sich die einzelnen Teile des Bildes anzuhören und damit einen höchst interessanten Zugang zum Werk Kandinskys zu erhalten. Anschließend kann man auf ganz unkomplizierte Weise eine eigene Partitur erstellen, die der persönlichen Stimmung entspricht.

Link: https://artsandculture.google.com/experiment/sgF5ivv105ukhA

Wassily Kandinsky – Impression III, Konzert, 1911 (Wikipedia)

Für alle, die sehen möchten, wie Wassily Kandinsky ein musikalisches Werk in Form einer Inszenierung umgesetzt hat, gibt es auf YouTube eine Aufzeichnung der Bühnenkomposition von Kandinsky nach dem Klavierzyklus “Bilder einer Ausstellung” von Modest Mussorgski.

Durch die Anfrage des Intendanten des Dessauer Friedrich-Theaters für eine Inszenierung konnte er seine multimedialen Konzepte durch die Zusammenführung der unterschiedlichen Kunstrichtungen umsetzen. Die szenische Aufführung hat am 4. April 1926 stattgefunden. Da die Pläne, Skizzen, Aquarelle und ein vollständiges Regiebuch erhalten geblieben sind, konnte “der rote Kreis” unter der Gesamtleitung von Wilfried Weber dieses Theaterexperiment im Jahr 1995 rekonstruieren und durch die Aufzeichnung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.

Link: https://www.youtube.com/watch?v=MtZvc8U4hiI (Dauer: 35 Minuten)

Wassily Kandinsky – Fuge, 1914. (Wikipedia)

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