Koloniale Kontexte

Koloniale Kontexte

Ausstellung: Ein koloniales Ding

Im Weltmuseum in Wien wird derzeit die zukunftsweisende Ausstellung “Ein koloniales Ding” gezeigt.

Weltmuseum Wien © KHM-Museumsverband

Diese von der Kuratorin Claudia Augustat gestaltete Ausstellung ist ein fundierter Beitrag zu den Diskussionen über die Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten.

Das Weltmuseum Wien, dessen Anfänge bis auf die von Ferdinand II Ende des 16. Jahrhunderts in Tirol eingerichtete Wunderkammer zurückgeht und das seit 1806 in Wien angesiedelt ist, besitzt rund 200.000 Objekte. Von diesen können nur rund 5 % in der permanenten Ausstellung gezeigt werden.

Die Objekte sind in den letzten 500 Jahren auf unterschiedliche Weise nach Österreich gekommen, durch Schenkungen, Ankäufe, wissenschaftliche Expeditionen und Reisen.

Museen in Europa und Nordamerika, die ethnographische Sammlungen beherbergen, haben in letzten Jahren mit einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus als Voraussetzung für die Entstehung von einschlägigen Sammlungen und Museen begonnen.

In der Aufarbeitung der Geschichte des Kolonialismus geht es für die Museen dabei um fragwürdige “Beschaffungsmethoden”, Aneignung, Diebstahl etc., um die Frage der Rückgabe von kulturellem Eigentum, Diskussionen über Entschädigungen und Wiedergutmachung. Darüber hinaus aber auch um die Präsentation und Einordnung der Objekte durch Museen, was insofern von besonderer Bedeutung ist, da außereuropäische Kulturen im Verlauf der Geschichte oft als minderwertig angesehen und dargestellt wurden.

Unter Kolonialismus wird die Unterdrückung, Ausbeutung, Versklavung und in manchen Fällen sogar Vernichtung der lokalen Bevölkerung verstanden. Es war dies eine Entwicklung, die nach den sog. “Entdeckungsreisen” mit der Errichtung von Handelsstützpunkten und der Aneignung von Land begann und mit militärischer Unterstützung mit dem Siedlungskolonialismus und der ökonomischen Ausbeutung fortgesetzt wurde.

Bereits seit 1970 gibt es das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization – Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur). Ab dem Zeitpunkt des Beitritts zu diesem Übereinkommen verpflichten sich die Staaten, illegal ins Land gebrachte Kulturgüter dem Herkunftsland zurückzugeben.

Der Internationale Museumsrat ICOM hat 1986 Richtlinien für die Rückgabe und Rückführung von Kulturgütern formuliert. Dabei wird von der Bereitschaft der Museen ausgegangen, “in einen Dialog bezüglich der Rückgabe von Kulturgütern an ihre Herkunftsländer oder -völker zu treten. Der Dialog sollte unparteiisch und auf der Basis wissenschaftlicher, professioneller und humanitärer Prinzipien sowie unter Berücksichtigung lokaler, nationaler und internationaler Gesetze geführt werden.”

Die Deklaration der Vereinten Nationen zu den Rechten indigener Völker aus dem Jahr 2007 enthält in Artikel 11, Punkt 2., zur Rückstellung von Kulturgütern folgende Bestimmungen: “Die Staaten haben durch gemeinsam mit den indigenen Völkern entwickelte wirksame Mechanismen, die gegebenenfalls die Rückerstattung einschließen, Wiedergutmachung zu leisten für das kulturelle, geistige, religiöse und spirituelle Eigentum, das diesen Völkern ohne ihre freiwillige und in Kenntnis der Sachlage erteilte vorherige Zustimmung oder unter Verstoß gegen ihre Gesetze, Traditionen und Bräuche entzogen wurde.”

Im Textheft zur Ausstellung werden 4 Leitfäden für die Rückgabe von Kulturgütern ausn kolonialen Kontexten aus den Niederlanden, Deutschland , Frankreich und Kanada vorgestellt. In diesen Leitfäden geht es um die Beantwortung der Fragen, was jeweils unter Kolonialzeit verstanden wird, was zurückgegeben werden kann und soll, wie und an wen zurückgegeben werden soll und wie die Zukunft ethnographischer Museen gestaltet werden kann.

Die Ausstellung greift diese Fragestellungen anhand von zwölf ausgewählten Objekten konkret auf. Dabei geht es um verschiedene Kultgegenstände, über die Frage des Copyrights von traditionellen Maori-Tatoos bis hin zum “kolonialen Ding” Smartphone. Das Smartphone wurde von der Kuratorin als aktuelles Beispiel und Symbol für die auf Ungleichheit basierenden globalen Verflechtungen aufgenommen.

Die Kuratorin, Claudia Augustat, sagt dazu folgendes: ” Es ist uns wichtig, darüber nachzudenken, was genau ein Ding zu einem kolonialen Ding macht und wie wir am besten damit umgehen können. Soll es auch in Zukunft hier im Museum sein und gezeigt werden? Gibt es einen andren Platz auf der Welt, wo es vielleicht besser aufgehoben wäre? Wer kann oder soll über seine weitere Verwendung entscheiden?”

Das schwierige Thema der kolonialen Kontexte des Weltmuseums Wien wird durch diese Ausstellung sehr anschaulich behandelt. Die öffentliche Thematisierung dieser Fragestellungen anhand bestimmter Ausstellungsstücke eröffnet den BesucherInnen die Möglichkeit, sich mit diesen Fragen anhand von konkreten Beispielen auseinanderzusetzen. Eine gemütliche Sitzecke ermöglicht ein entspanntes Studium des hervorragenden Textheftes zur Ausstellung.

Das Textheft zur Ausstellung steht im Presseteil der Homepage des Weltmuseums auch als Download zur Verfügung.

Die Ausstellung ist noch bis 14. Juni 2020 im Weltmuseum Wien zu sehen!

Adresse: Weltmuseum Wien, Heldenplatz, 1010 Wien http://weltmuseumwien.at

Öffnungszeiten: Täglich – außer Mittwoch – 10:00 – 18:00 Uhr

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