Ladies First!

Ladies First!

Überwältigend und begeisternd

DIE Ausstellung des Jahres 2020 findet in der Steiermark statt: “Ladies First! Künstlerinnen in und aus der Steiermark 1850-1950”

Mit dieser richtungsweisenden Ausstellung wird in der Neuen Galerie Graz erstmals ein Überblick über das Schaffen von Künstlerinnen in der Steiermark im Zeitraum von 1850-1950 gegeben.

Es ist eine Ausstellung, die nur mit Superlativen zu beschreiben ist. Die von den hervorragenden KuratorInnen Gudrun Danzer und Günther Holler-Schuster gestaltete Ausstellung ist von ihrer Konzeption und der geleisteten wissenschaftlichen Grundlagenarbeit an und für sich schon ein Jahrhundertwerk.

In dem Augenblick, in dem man die Tür zur Ausstellung öffnet, betritt man staunend eine bisher verborgen gebliebene wunderbare Welt, in der die Biographien und Werke von 63 Künstlerinnen wieder entdeckt werden können. Viele der Künstlerinnen waren von der Kunstgeschichtsschreibung verdrängt und vergessen, ihre Werke zwar im Museumsbestand vorhanden, aber in Depots verschwunden und nie gezeigt. Die Ausstellung Ladies First! präsentiert mehr als 300 Werke von höchster Qualität in unterschiedlichen Stilen und mit einer Vielfalt an Themen, die in der Zeit von 1850 bis 1950 entstanden sind.

Marie Auersperg, „Vase mit Blumen“, 1840er-Jahre,
National Museum of Slovenia,
Foto: Toma Lauko, National Museum of Slovenia

Erstmals wird mit der Bestandsaufnahme der Werke und der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Biographien sowie ihrer Einbettung in die Geschichte ein historischer Überblick über die bildenden Künstlerinnen und ihre Kunstproduktion in der Steiermark gegeben. Wobei bis zum Zerfall der Monarchie 1918 auch das Gebiet der zum gleichen Kulturkreis zählenden ehemaligen Untersteiermark, die heute zu Slowenien gehörende Stajerska, miteinbezogen wird.

Berücksichtigt wurden sowohl Künstlerinnen, die in der Region tätig waren, als auch jene, die in der Steiermark geboren wurden, aber ihre Karrieren anderswo fortsetzten, wie beispielsweise Marianne Stokes, geborene Preindlsberger, deren Werke in den großen Museen in England vertreten sind, die aber in der Steiermark vergessen war. Ein anderes Beispiel ist Marie Egner, die ihre Karriere in Wien fortsetzte und eine der wesentlichen VertreterInnen des österreichischen Stimmungsimpressionismus wurde.

Marianne Stokes, „Melisande“, 1895, Öl auf Leinwand,
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln,
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln

Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut und beginnt mit der bereits vor 1850 tätigen Therese Eissl (1784-etwa1850). Sie war eine Vorreiterin der Frauen in der Kunst und führte ab 1831 in ihrer Wohnung in Graz eine eigene Malschule.

Der Zeitraum ab 1850 wurde von den KuratorInnnen deshalb gewählt, weil es erst für die um 1850 geborenen Frauen überhaupt denkbar war, den Beruf der Künstlerin zu ergreifen und damit ihren Lebensunterhalt verdienen zu können.

Obwohl Frauen in Graz bereits seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts die Landeszeichenkademie besuchen durften und mit der Gründung der Kunstgewerbeschule ab 1876 eine weitere künstlerische Ausbildungsmöglichkeit bestand, blieb ihnen eine akademische Kunstausbildung bis 1920 verwehrt. Daher mussten sie für eine weitere Ausbildung teure Privatstunden nehmen oder an Privatschulen im Ausland studieren und waren dafür auf die Unterstützung ihrer Familien angewiesen. Daher kamen die meisten der Künstlerinnen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts aus wohlhabenden adeligen oder großbürgerlichen Familien.

Stephanie Glax, „Selbstporträt“, ca. 1908, Bleistift und Kreide, Privatsammlung Ljubljana
Foto: Bojan Salaj

Bereits der nächsten Frauengeneration und danach den in der Zwischenkriegsszeit tätigen Frauen ist es gelungen, wichtige Erfolge in der Kunstwelt zu erzielen. Wie die Biografien der Frauen zeigen, waren sie, sobald es möglich war, Mitglied in verschiedenen Künstlervereinigungen, haben ihre Werke ausgestellt und dafür in vielen Fällen Auszeichnungen erhalten.

Willy Badl, „Kakteen”, ca. 1935,
Linolschnitt auf Japanpapier, Privatbesitz Wien

Diese Entwicklung und die Emanzipation der Künstlerinnen dauerte bis in die 1930er Jahre. Durch den aufkommenden Nationalsozialismus und den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde diese Aufbruchphase radikal beendet. “Die Folge waren Verfolgung, Deportation, Ermordung Emigration, Isolation, Widerstand, Mitgliedschaft, Anpassung Vereinnahmung oder Vereinsamung.” (Zitat: Begleitheft zur Ausstellung)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde einerseits von männlichen Kunsthistorikern die Kunstgeschichte unter Auslassung der Künstlerinnen, ihrer Werke und ihres Beitrags zur Entwicklung der Kunst bis in die 1930er-Jahre “neu” geschrieben, andererseits konnten Künstler an frühere Netzwerke anknüpfen, was Frauen oft nicht möglich war. “1950 war für Frauen in vieler Hinsicht ein neuer Nullpunkt erreicht” (Zitat: Begleitheft zur Ausstellung)

Anny Dollschein, “Stillleben mit Puppe”, ca. 1935,
Öl auf Leinwand,
Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Es sollten weitere 70 Jahre vergehen, bis die überwiegende Mehrzahl der Kunstwerke erstmals wieder aus den Depots geholt und der Öffentlichkeit gezeigt werden. Die unglaubliche Fülle an großartigen Werken, die in der Ausstellung zu sehen sind, führt uns vor Augen, wie sehr die großartigen Leistungen der Künstlerinnen bisher negiert wurden. Gleichzeitig macht es bewusst, dass die Kenntnis der von Frauen geschaffenen Kunstwerke für ein umfassendes Verständnis unserer Kunstgeschichte unbedingt notwendig ist.

Nach Kuratorin Gudrun Danzer war die Vorbereitung der Ausstellung “eine Spurensuche mit dem Ziel, die Kunstgeschichte zu komplettieren”. Gleichzeitig soll die Ausstellung ein Anstoß für weitere kunsthistorische Forschung und Anregung sein, Kunst von Frauen in Zukunft in Themenausstellungen gleichberechtigt zu zeigen.

Vevean Oviette, „Komposition (Chimäre)“, 1952,
Öl auf Leinwand, Neue Galerie Graz, UMJ

Zur Ausstellung ist ein 400-seitiger Katalog erschienen. Wobei das von Kuratorin Gudrun Danzer herausgegebene Buch viel mehr ist als ein Ausstellungskatalog: es ist ein kunsthistorisches Grundlagenwerk mit wissenschaftlichen Beiträgen und durch die für die Ausstellung auf der Basis von Grundlagenrecherchen erstellen Biografien der Künstlerinnen und die Abbildung ihrer Werke ein Lexikon der Künstlerinnen der Steiermark.

Katalog: Ladies First! Künstlerinnen in und aus der Steiermark 1850-1950. Hg. Gudrun Danzer. Leykam Verlag. Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum. Graz 2020

Podcast-Serie Ladies First: In der ausgezeichneten Kunstvermittlung durch die Podcast-Serie Ladies First! werden – ausgehend von jeweils einem ausgewählten Werk der Ausstellung – mit Expertinnen Fragen zur gesellschaftlichen Situation der Frauen in Geschichte und Gegenwart, dem Kunstsystem und den verdrängten und vergessenen Künstlerinnen besprochen. http://www.neuegaleriegraz.at/ladiesfirst

Die Ausstellung ist bis 2. Mai 2021 in Graz zu sehen!

Ich wünsche dieser Ausstellung viel Erfolg, das heißt vor allem viele staunende und begeisterte BesucherInnen, die diese Ausstellung dann auch selbst weiterempfehlen!

Adresse: Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Joanneumsviertel , 8010 Graz

Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag 10:00 – 17:00 Uhr

http://www.neuegaleriegraz.at

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