Vorurteile vs. Selbstbestimmung

Vorurteile vs. Selbstbestimmung

Ergebnisse des Gender Social Norms Index 2023

Die von den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen beschlossenen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die mit 1. Jänner 2016 in Kraft getreten sind, enthalten als Ziel 5 die “Erreichung der Geschlechtergleichheit und Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen”.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme-UNDP) ist die führende Organisation, die sich in Zusammenarbeit mit ExpertInnen und nationalen PartnerInnen für die Beendigung der Ungerechtigkeit von Armut, Ungerechtigkeit und Klimawandel einsetzt.

Im Jahr 2023 hat das Entwicklungsprogramm zum zweiten Mal den Gender Social Norms Index (GSNI) herausgegeben, um die Fortschritte im Bereich der Gleichstellung zu messen. Dieser wird auf der Grundlage von Daten aus 80 Ländern und Gebieten, in denen 85% der Weltbevölkerung leben, erstellt. Auf der Basis von Antworten auf Fragen aus dem World Values Survey werden Einstellungen und Vorurteile gegenüber Frauen in den Schlüsselbereichen Politik, Bildung, Wirtschaft und körperliche Unversehrtheit erfasst und gezeigt, wie diese die Gleichstellung der Geschlechter in diesen Bereichen behindern.

Erstmals wurde 2019 ein Bericht veröffentlicht, damals mit Daten aus den Jahren 2010 bis 2014. Eines der wesentlichsten Ergebnisse des aktuellen Berichts mit Daten aus den Jahren 2017-2022 ist, dass es in den letzten 10 Jahren keine (!) Fortschritte gegeben hat und diese Vorurteile und sozialen Geschlechternormen in allen Regionen, Kulturen und Einkommensniveaus zu finden sind und ein globales Problem darstellen.

Ausgewählte Ergebnisse des Gender Social Norms Index 2023 sind: rund 87% der Frauen und 90% der Männer haben in den abgefragten Schlüsselbereichen Vorurteile gegenüber Frauen. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist der Meinung, dass Männer bessere politische Führungskräfte sind als Frauen; rund 40% glauben, das Männer bessere Führungskräfte in der Wirtschaft sind als Frauen. Diese Vorurteile spiegeln sich auch in der starken Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen und Politik und Wirtschaft wider, die trotz rechtlicher Gleichstellung besteht.

46% sagen, dass Männer mehr Recht auf einen Arbeitsplatz haben sollten als Frauen, 28% meinen, dass der Besuch einer Universität für Männer wichtiger ist als für Frauen. Eine weitere Feststellung, die das Datenmaterial erlaubt, ist, dass der Zusammenhang zwischen dem Zugang von Frauen zu Bildung und ihrer wirtschaftlichen Teilhabe heute jedoch nicht mehr automatisch gegeben ist. Denn obwohl Frauen heute qualifizierter und besser ausgebildet sind als je zuvor, beträgt das durchschnittliche Einkommensgefälle auch in jenen 59 Ländern, in denen Frauen heute besser ausbildet sind als Männer, immer noch 39%!

Erschreckende 25 % der Menschen glauben nach wie vor, dass es gerechtfertigt ist, wenn ein Mann seine Frau schlägt. 58 % denken, dass Frauen kein Recht auf Selbstbestimmung betreffend Familienplanung haben.

Wobei soziale Normen nicht nur die Freiheiten und Wahlmöglichkeiten von Frauen einschränken, sondern der Gesellschaft in Entscheidungsprozessen auch die Vielfalt an Perspektiven, Erfahrungen, Fähigkeiten und Ideen, die Frauen einbringen können, vorenthalten.

Gleichzeitig gibt es in vielen Teilen der Welt zunehmend Bewegungen gegen die Gleichstellung der Geschlechter, die mit einem Abbau der Frauenrechte und in einigen Ländern mit dem Anstieg von Menschenrechtsverletzungen einhergehen.

Die AutorInnen des Berichts kommen zu dem Schluss, dass weltweit mit Vorurteilen behaftete soziale Geschlechternormen ein Haupthindernis für die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter sind und die Gleichstellung der Geschlechter nur dann erreicht werden kann, wenn gegen diese geschlechtsspezifischen sozialen Normen vorgegangen wird.

Wesentlich dabei sind aus ihrer Sicht Maßnahmen auf mehreren Ebenen: Gesetze und politische Maßnahmen, die zur Förderung der gleichberechtigten politischen Teilhabe beitragen, der Ausbau der Sozialversicherung zur Stärkung von Sozialschutz- und Pflegesystemen einschließlich der Einführung von Elternurlaubsregelungen, Arbeitsmarktreformen und die Anerkennung der von Frauen geleisteten Betreuungsarbeit.

Nicht zuletzt auch Maßnahmen, die durch Bildung zu einer Einstellungsänderung beitragen, um die durch Sozialisation, Erwartungen der Gesellschaft, der Arbeitswelt, des persönlichen Umfeldes, von religiösen Institutionen, Medien u.a.m. tradierten sozialen Normen in Richtung Gleichstellung verändern zu können.

Links:

Human Development Perspective. 2023 Gender Social Norms Index: Breaking down gender biases. Shifting social norms towards gender equality. UNDP 2023 (einschließlich detaillierter Tabellen): https://hdr.undp.org/content/2023-gender-social-norms-index-gsni#/indicies/GSNI

United Nations Development Programme: https://www.undp.org/

Ziele für nachhaltige Entwicklung: https://www.diespurensucherin.at/nachhaltige-entwicklung/

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