Alice Herdan-Zuckmayer

Alice Herdan-Zuckmayer

Begegnung mit einer außergewöhnlichen Frau

Alice Herdan-Zuckmayer war weit mehr als nur die Frau an der Seite des weltbekannten Schriftstellers – sie war eine Schriftstellerin, die vier Bücher veröffentlicht hat. Trotzdem ist sie den wenigsten Menschen bekannt; auch Internetrecherchen geben wenig Auskunft über ihr Leben und Schaffen. Umso dankenswerter ist es, dass Bettina Rossbacher anlässlich ihres 120. Geburtstages und 30. Todestages einen sehr informativen und feinsinnig zusammengestellten Beitrag mit dem Titel “Alice Herdan-Zuckmayer. Eine Begegnung” über sie gestaltet und diesen als Online-Lesung veröffentlicht hat (den Link dazu finden Sie am Ende des Beitrags).

Wer war Alice Herdan-Zuckmayer? Geboren wurde sie 1901 in Wien, wo sie nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrer Mutter, einer Burgtheaterschauspielerin, aufwuchs und zur Schule ging. Nicht in irgendeine Schule, sondern in die von der Reformpädagogin Eugenie Schwarzwald gegründete Mädchenschule. Mit ihrem ersten Mann, Karl Frank, einem Psychologen und für die Kommunistische Partei tätigen politischen Aktivisten, geht sie nach Berlin. Nach der Trennung von Frank bleibt sie mit der gemeinsamen Tochter in Berlin. Dort arbeitete sie als Schauspielerin – sie hatte in Wien Schauspielunterricht genommen – und Schreibkraft. So lernte sie Carl Zuckmayer kennen, der sie als Aushilfssekretärin engagierte.

Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann heiratete sie 1925 Carl Zuckmayer; diese Ehe sollte bis zu seinem Tod 1977 dauern. Nach sehr bescheidenen Anfängen konnten sie aufgrund der Erfolge ihres Mannes ein gutbürgerliches Leben führen uns sich in Henndorf am Wallersee, in Salzburg, ein Haus kaufen, in dem sie ab 1926 die Sommermonate verbrachten. Sie begann Medizin zu studieren und wollte danach in die wissenschaftliche Forschung gehen. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten In Deutschland im Jahr 1933 machten diese Pläne allerdings zunichte. Seit 1933 waren die Werke von Carl Zuckmayer in Deutschland wegen kritischer Aussagen gegen das NS-Regime verboten. Gleichzeitig war die Familie – mittlerweile hatten sie auch eine gemeinsame Tochter – gezwungen, ihren Wohnsitz ganz nach Österreich zu verlegen.

Auch in Österreich konnten sie auf Dauer nicht bleiben. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich musste die Familie erneut fliehen, zuerst in die Schweiz und nach einem Jahr weiter in die Vereinigten Staaten, wo sie 1939 ankamen. Ihr Haus und ihr Vermögen wurden von der Gestapo beschlagnahmt und die Familie ausgebürgert. Nach einem sehr schwierigen Neuanfang in New York, wo Arbeitsmöglichkeiten und ein geregeltes Einkommen fehlten, entschlossen sie sich, auf das Land zu ziehen. In Vermont, einem Bundesstaat an der Grenze zu Kanada, fanden sie eine Farm, die sie pachteten und in den nächsten fünf Jahren bewirtschafteten. Diese Zeit hat Alice Herdan-Zuckmayer in ihrem 1949 erschienenen Buch “Die Farm in den grünen Bergen” beschrieben. Beide erhielten auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach dem Krieg gaben sie die Farm zwar auf, blieben aber weiterhin in Vermont.

Carl Zuckmayer kehrte als Kulturbeauftragter der amerikanischen Regierung 1946/47 erstmals nach Europa zurück. In den folgenden Jahren werden die Kontakte nach Deutschland, Österreich und der Schweiz wieder ausgebaut. Alice Herdan-Zuckmayer begleitete ihn und hielt nach dem erscheinen ihres Buches “Die Farm in den grünen Bergen” in Deutschland Vorträge. Erst 1957 gaben sie ihren Wohnsitz in den USA auf und übersiedelten in die Schweiz, wo sie sich im Kanton Wallis, in Saas-Fee, niederließen.

Alice Herdan-Zuckmayer hat in den folgenden Jahren weitere Bücher veröffentlicht, die im S.Fischer Verlag erschienen sind. In “Das Kästchen”, 1962 erschienen, schildert sie – “eigentlich für ihre Töchter”, wie sie in einem Interview sagte – ihre Kindheit in Wien in den letzten Jahren der Donaumonarchie vor dem Ersten Weltkrieg. Im 1972 erschienenen Buch “Das Scheusal. Die Geschichte einer sonderbaren Erbschaft” beschreibt die wahre Geschichte des von einer Tante geerbten Hundes Mucki, der die Familie auf ihrem Weg in die Emigration bis nach Vermont begleitete. Mit ihrem letzten Buch “Genies sind im Lehrplan nicht vorgesehen” (1979) setzte sie ihrer Lehrerin, der Reformpädagogin Eugenie Schwarzwald, ein literarisches Denkmal.

Alice Herdan-Zuckmayer ist 1991 in der Schweiz gestorben.

Link zur Online-Lesung:

Bettina Rossbacher: “Alice Herdan-Zuckmayer. Eine Begegnung”: https://www.literaturhaus-henndorf.at/lesung-von-bettina-rossbacher.html

noch bis 9. Juni 2021 online!

Kommentare sind geschlossen.