Die österreichische Riviera

Die österreichische Riviera

Touristische Anfänge

Welche Auswirkungen der Bau von Bahnstrecken für militärische Zwecke und deren spätere Nutzung für den Aufbau des Tourismus hatten, lässt sich am Beispiel der Südbahn zeigen. Die Südbahn verkehrte seit 1857 zwischen Wien und dem wichtigen Handelshafen Triest, ab 1873 bis Fiume, dem heutigen Rijeka. Gleichzeitig erfolgte auch der Ausbau der Bahnstrecke nach Pula, dem an der Südspitze Istriens gelegenen Militärhafen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Beide Städte, Pula als zentraler Militärhafen und Ausbildungsstätte für die Marine und Fiume mit dem Marinearsenal, hatten eine wichtige militärische Funktion.

Zur verstärkten Auslastung des Bahnnetzes Richtung Süden wurden von der k.k. privilegierten Südbahngesellschaft angestrebt, diese Gebiete auch für den Fremdenverkehr zu erschließen. Die Kvarner Bucht, mit den Orten Abbazia (Opatija), Lovran und Volosko, wurde schon damals von führenden Ärzten als Luftkurort wegen der geschützten Lage, aufgrund des milden Klimas und der Meeresluft als Luftkurort bei Atemwegserkrankungen und Tuberkulose (damals als Wiener Krankheit bekannt) besonders für die Wintermonate empfohlen. Gleichzeitig hatte die Südbahngesellschaft mit ihrem Generaldirektor Friedrich Julius Schüler (1832-1894) einen Wirtschafts- und Tourismuspionier, der eine zentrale Rolle beim Aufbau des Tourismus in dieser Region spielen sollte.

Kirche des Hl. Jakob, Opatija. Foto: Elisabeth Kolbry

Der Name Abbazia geht auf eine Benediktinerabtei zurück, die dem Hl. Jakob geweiht war. Abbazia war damals ein kleines Fischerdorf. Dort hatte sich Iginio Cavaliere Scarpa, Kaufmann, Stadtrat und Leiter der Handelskammer im etwa 17 km entfernten Fiume, 1844/45 eine Villa erbauen lassen, die Villa Angiolina, die in der Folge zu einem Treffpunkt der Gesellschaft wurde. Als im Jahr 1881 die Südbahngesellschaft begann, in dem kleinen Fischerdorf Liegenschaften und Gründe aufzukaufen, erstand sie 1882 auch diese Villa samt riesiger Parkanlage – in der heute das Denkmal Schülers steht.

Denkmal Friedrich Julius Schüler im Park der Villla Angiolina. Foto: Elisabeth Kolbry

Als Vorbilder für den Aufbau dienten so berühmte Seebadeorte wie Brighton in England und Monte Carlo. Da in der Anfangsphase vor allem die Aristokratie und das Großbürgertum die Zielgruppe waren, wurde die Villa Angiolina zu einer Luxuspension umgebaut. Zur gleichen Zeit entstanden auch luxuriöse Palasthotels für exklusive Besucher:innen; 1883 das Hotel Quarnero (heute: Hotel Kvarner) mit eigenen Kuranlagen, 1885 das Hotel Kronprinzessin Stephanie (heute: Imperial). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Südbahngesellschaft damals über eine eigene Bausparte verfügte. Erbaut wurden neben Hotels auch Villen und Mehrparteienhäuser, die an betuchte Gäste verkauft wurden.

Bereits 1889 wurde Abbazia zum Kurort erhoben und damit zu einem für die vornehme Wiener Gesellschaft interessanten Ferienort. Damals war es vorwiegend Kurtourismus und Wintertourismus, um die Wintermonate in einem milderen Klima zu verbringen. Erst später erfolgte die Entwicklung zu Seebadeort.

Stephanie Glax (1876-1952) Plakat, 1897/1899.  Lithografie. Museum für angewandte Kunst Wien, Sammlung Plakate. www.MAK.at © MAK/Georg Mayer (Wikimedia Commons)

Nicht vergessen werden darf, dass es sich hier um eine künstliche Ortsgründung handelte, die neben den Hotels auch den Aufbau der kompletten Infrastruktur erforderte. Als Beispiel sei hier angeführt, dass zu Beginn durch die Südbahngesellschaft in der Nähe von Abbazia eine Landwirtschaft angekauft wurde, um den Gemüse-, Obst- und Weinbedarf der Gäste sicherzustellen. 1896 erfolgte die Versorgung mit Elektrizität, 1897 wurde eine Hochquellwasserleitung in Betrieb genommen. Gleichzeitig wurden das Post- und Telegrafengebäude, Wirtschaftsanlagen, Unterkünfte für das Personal, eine Meierei (für die Milchtrinkuren), Kur- und Badeanstalten, Desinfektions- und Waschanstalten, ein Gasometer und ein größerer Hafen errichtet. 1889 bis 1911 wurde die Uferpromenade erbaut, ein 12 km langer Spazierweg von Volosko über Abbazia nach Lovran, der heute als Lungomare bezeichnet und wieder nach Kaiser Franz Josef I. benannt ist. Anfang des 20. Jahrhunderts folgten eine Straßenbahn, Gipfelhäuser in den Bergen und Sportanlagen.

Die Südbahngesellschaft verpachtete ihre Anlagen in Abbazia bereits im Jahr 1898 an die Internationale Schlafwagengesellschaft. Der Aufschwung des Ortes zog zudem vermehrt private Investoren und Bauherrn an, die kleine Hotels und Pensionen erbauten, wodurch die Zielgruppe auf das Bürgertum erweitert wurde.

Der Landstrich von Volosko, Abbazia und Lovran wurde als österreichische Riviera bezeichnet. Dieser Begriff war um 1890 in der deutschsprachigen Reiseliteratur bereits fest verankert. Erst später wurde dieser Begriff aus ebenfalls touristischen Gründen vor allem auf Betreiben von Schifffahrtsunternehmen wie dem Österreichischen Lloyd auf das gesamte Küstengebiet von Grado über Triest, Istrien bis Dalmatien ausgedehnt.

Damit sich diese Investitionen und der Aufbau des Ortes zu einer modernen Kurstadt lohnten, wurde der Ferienort massiv beworben, durch Inserate in Zeitungen, Werbeplakate und Reisebeschreibungen. Die Künstlerin Stephanie Glax, die an der Kunstgewerbeschule in Wien studierte und damals in Abbazia lebte, entwarf Werbeplakate und Broschüren, mit denen sie das Bild des Ortes bzw. die Vorstellung davon nachhaltig prägte.

Bereits im Jahr 1888 gab es Pauschalreisen – ein Kombiticket für Bahnfahrt und Aufenthalt in den eigenen Hotels: “Vom 1. Mai bis 15. October l. J (1888) gelangen an den Südbahnstationen Wien/Südbahnhof und Budapest Tour-Retourkarten I. und II. Classe für die directe Fahrt von Wien bzw. Budapest nach Mattuglie-Abbazia und zurück, giltig an allen fahrplanmäßigen Zügen, zur Ausgabe…einschließlich der pensionsweisen Verpflegung durch sieben Tage in den Hotels der Südbahn in Abbazia...”(Egbert Peinhopf, Als Istrien noch bei Österreich war. Kral-Verlag, Berndorf 2022, S. 296)

Die Südbahn führte im Sommer 1901 täglich (!) Direktwagen von Wien nach Fiume; und zwar einen Zug, der am Vormittag abfuhr und noch eine weitere Tagesverbindung, die die Reisenden in 12 Stunden von Wien bis zum Bahnhof Abbazia-Mattuglie brachten.

Der Aufschwung des Ortes ist auch in Zahlen nachzulesen: waren es 1890 noch 4009 Gäste, stieg diese Zahl bis zum Jahr 1899 auf 14.834 und 1912 auf 54.696 an. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ging die große Zeit Abbazias als Nobelkurort an der österreichischen Riviera jedoch zu Ende.

Das Mädchen mit der Möwe. Wahrzeichen von Opatija. Foto: Elisabeth Kolbry
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