Jura Soyfer

Jura Soyfer

Dichter, Journalist, Humanist

Am 27. Jänner wurde wie jedes Jahr der Opfer des Holocaust gedacht. Eine unserer wichtigsten Aufgaben wird immer bleiben, an jene zu erinnern, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Einer von ihnen war der österreichische Dichter und Journalist Jura Soyfer (1912-1939).

Jura Soyfer ist ein wesentlicher Vertreter der österreichischen Literatur in den 1930er Jahren. Er war ein „Publizist und Dichter von herausragendem Format“ und ein „äußerst aktiver politischer Mensch, vor allem ein bedingungsloser Kämpfer gegen Faschismus und Nationalsozialismus, der seinen Einsatz letztlich mit dem Leben bezahlte.“ (Wolfgang Neugebauer, DÖW Mitteilungen, Folge 209, Dez.2012)

Jura Soyfer 1937/38
© Helli Andis/Jura Soyfer Gesellschaft

Jura Soyfer wurde in Charkow, das damals zum russischen Kaiserreich gehörte (heute Ukraine), in eine gutbügerliche, jüdische Familie geboren. Aufgrund der Oktoberrevolution musste die Familie das Land verlassen und floh über Rostock, Georgien und Konstantinopel nach Österreich, wo sie sich zuerst in Baden bei Wien niederließ und 1923 dann nach Wien übersiedelte. In Wien besuchte Jura Soyfer das Realgymnasium in der Hagenmüllergasse im 3. Bezirk, wo er 1931 maturierte.

Während seiner Schulzeit wurde er 1927 Mitglied in der Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler. In dieser sozialdemokratischen Jugendbewegung erfolgte seine politische Sozialisation, die durch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Austromarxismus geprägt war. Während dieser Zeit veröffentlichte er erste Artikel in der Zeitschrift der Vereinigung und wirkte ab 1929 beim sozialdemokratischen „Politischen Kabarett“ als Textdichter mit.

Ab 1931 studierte er an der Universität Germanistik und Geschichte für das Lehramt. Doch schon als Maturant wollte er Schriftsteller werden. Bereits Ende 1930 waren erste Artikel in der Arbeiter-Zeitung erschienen. Von 1931 bis 1934 war er ständiger Mitarbeiter der Arbeiter-Zeitung, schrieb für die in dieser Zeitung erscheinende Rubrik „Zwischenrufe links“ regelmäßig Gedichte, Erzählungen und Reportagen und für die sozialdemokratische Wochenschrift Kuckuck Satiren und Gedichte. Bis 1934 verfasste er auch Losungen und Gedichte für Arbeiterdemonstrationen.

Nach den Februarkämpfen 1934 in Österreich trat er der bereits 1933 verbotenen Kommunistischen Partei bei und beteiligte sich aktiv am Kampf gegen den Austrofaschismus. Zu dieser Zeit begann er mit dem (nur als Fragment erhaltenen) Roman „So starb eine Partei“, seiner schonungslosen Abrechnung mit der Politik der österreichischen Sozialdemokratie. Seine journalistische Tätigkeit konnte er nach dem Verbot der sozialdemokratischen Medien ab 1935 beim „Sonntag“, Beilage zu „Der Wiener Tag“, fortsetzen.

Neben dem Roman und seiner journalistischen Arbeit schrieb er Szenen und Theaterstücke. Trotz der durch das austrofaschistische Regime erfolgenden  Zensur von Publikationen und Theateraufführungen war es eine produktive Schaffensperiode. Seine Theaterstücke, die in Wiener Kellertheatern uraufgeführt wurden, entsprechen dem Typus des Volksstückes mit Kabarett und Liedern. Sein erstes Stück „Der Weltuntergang“ wurde mit Leon Askin in der Hauptrolle im ABC, einem Kellertheater, im Jahr 1936 aufgeführt. Ebenfalls 1936 folgte die Uraufführung des Stücks „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“ im Kellertheater Literatur am Naschmarkt. Es folgten die Stücke „Astoria“ und 1937 „Vineta“ und das Stück “Broadway-Melodie 1492“, die wieder im ABC aufgeführt wurden.

Seine Stücke behandeln Themen wie Herrschaft, Arbeitslosigkeit, Selbstbestimmung des Menschen im technischen Zeitalter, Kolonialismus, Abgestumpftheit, Krieg und Unterdrückung. Er sah seine Stücke als Mittel zur Propaganda, als Aufruf zur Solidarität und zur Veränderung bestehender Herrschaftsverhältnisse. Sein in den 1930er Jahren verfasstes Werk ist mit seinen Themen und Grundaussagen auch heute noch lesenswert.

Im Vorwort zur Werkausgabe 2002 (Bd. 2) beschrieb ihn Otto Tausig als „Nestroy unseres Jahrhunderts“ und seine Stücke als „subversive, doppelbödige Kleinkunst-Kunstwerke, aus denen sich vielleicht ein Theater der Zukunft entwickelt hätte…“

Im Herbst 1937 wurde er vom austrofaschistischen Regime festgenommen, für mehrere Monate inhaftiert und erst im Zuge einer Amnestie nach dem Berchtesgadener Abkommen am 17. Februar 1938 entlassen. Da nach seiner Inhaftierung sein Reisepass nicht verlängert wurde, versuchte er nach dem Einmarsch der Hitlertruppen und dem Anschluss Österreichs in das Deutsche Reich, da er als Jude, Kommunist und antifaschistischer Schriftsteller äußerst gefährdet war, in die Schweiz zu fliehen.

Bei diesem Fluchtversuch wurde er festgenommen und zuerst in Vorarlberg inhaftiert, bevor er im Juni 1938 ins KZ Dachau und von dort dann ins KZ Buchenwald deportiert wurde. In Buchenwald musste er Zwangsarbeit als Leichenträger verrichten, dabei steckte er sich mit Typhus an und starb am 16. Februar 1939 an dieser Krankheit. Die besondere Tragik war, dass seine Eltern, die gemeinsam mit seiner Schwester die Flucht in die USA geschafft hatten, bereits eine beglaubigte Bürgschaftserklärung übermittelt hatten, die ihm die Einreise in die USA ermöglichte, und die KZ-Entlassungspapiere bereits unterzeichnet waren, als er starb.

Noch im KZ Dachau wirkte er an von den Häftlingen organisierten kulturellen Aktivitäten mit und schrieb gemeinsam mit dem Komponisten Herbert Zipper das Dachaulied, eines der ergreifendsten Zeugnisse dieser Zeit.

Hinterlassen hat er ein durch Freunde und Bekannte gerettetes Gesamtwerk, das, soweit es erhalten geblieben und überliefert worden ist, rund 1000 Seiten umfasst. Seine Werke wurden in 50 Sprachen übersetzt.

Prof. Herbert Steiner, Gründer und Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands hat sich besonderer Weise für die Auffindung des in die ganze Welt verstreuten Werkes von Jura Soyfer, seine Bewahrung und Verbreitung eingesetzt. Bereits als Generalsekretär der Freien Jugend Österreichs beauftragte er die Herausgabe der ersten Soyfer- Ausgabe durch den Schauspieler Otto Tausig im Jahr 1947. Durch den Universitätsprofessor für Germanistik, Horst Jarka, erfolgte 1980 die Herausgabe des Gesamtwerkes, das 1984 und 2002 in erweiterten Neuausgaben wieder aufgelegt wurde.

In Wien wurde 1988 die Jura Soyfer Gesellschaft mit dem Ziel der Verbreitung des Werkes durch Symposien, Publikationen und einem Online-Archiv gegründet.

Links:

Im Projekt Gutenberg DE veröffentlichte und kostenlos zu lesende Werke: https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/soyfer.html

Text Dachaulied: https://www.literaturepochen.at/exil/multimedia/pdf/soyferdachaulied.pdf

Jura Soyfer Gesellschaft: https://www.soyfer.at/at/

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