Mary Cassatt

Mary Cassatt

Impressionistin und Frauenrechtlerin

Malerinnen waren im 19. Jahrhundert eine Minderheit, was auf die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten, die Vorurteile der (Kunst)Welt und auf ihre rechtliche Situation zurückzuführen war. Es gab nur wenige Frauen, denen es Ende des 19. Jahrhunderts gelang, sich eine Karriere als Künstlerin aufzubauen. Eine dieser Frauen war die Amerikanerin Mary Cassatt (1844-1926), eine der bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Zeit.

Mary Cassatt wurde in der Nähe von Pittsburgh in den Vereinigten Staaten als Tochter einer wohlhabenden Familie geboren. Es waren jedoch nicht nur die finanziellen Mittel, sondern vor allem die Einstellung der Eltern, dass Bildung für ihre Kinder von zentraler Bedeutung ist, die Grundlage für ihre spätere Entwicklung waren. Schon früh hatte sie die Möglichkeit, während eines vierjährigen Europaaufenthalts der Familie in den Jahren 1851-1855, in denen die Eltern ihren sechs Kindern europäische Kultur und Kunst näherbrachten und die Kinder auch die französische Sprache sprechen lernten, die Kunstschätze Europas kennenzulernen. Diese Reise war für Mary Cassatts zukünftige Entwicklung von zentraler Bedeutung, da sie bereits im Alter von 11 Jahren den Entschluss fasste, Malerin zu werden.

Trotz vieler Vorbehalte ließen sie ihre Eltern an der Pennsylvania Academy of Fine Arts in Philadelphia studieren, wo Frauen damals bereits zugelassen waren und sie von 1859 bis 1861 Unterricht nehmen konnte. Als nach Beendigung des amerikanischen Bürgerkriegs die Überfahrt nach Europa wieder möglich war, ging sie 1865 mit ihrer Mutter als “Anstandsdame” nach Paris. Da es damals Frauen noch nicht erlaubt war, die Ecole des Beaux Arts in Paris zu besuchen, nahm sie Privatunterricht. Aufgrund der von ihr vorgelegten Arbeiten wurde sie von Jean-Leon Gerome als Studentin angenommen. Bereits 1868 wurde eines ihrer Werke im konservativen Salon de Paris ausgestellt.

Im Jahr 1870 musste sie aufgrund des deutsch-französischen Krieges in die Vereinigten Staaten zurückkehren. Sie malte weiter und sandte zwei ihrer Werke zu einer Ausstellung in Chicago, die tragischrweise während des großen Feuers von Chicago 1871 verbrannten. Im selben Jahr erhielt sie jedoch vom Bischof den bezahlten Auftrag, für die neue Kathedrale von Pittsburgh Kopien von zwei Werken des Renaissancemalers Antonio da Correggio, die sich in Parma in Italien befanden, anzufertigen, sodass sie wieder nach Europa zurückkehren konnte. Danach unternahm sie Studienreisen zu Museen in Italien, Spanien, Belgien und den Niederlanden.

Mary Cassatt Self-Portrait, c. 1880, National Portrait Gallery. (https://npg.si.edu/object/npg_NPG.76.33)

Ab 1874 lebte sie gemeinsam mit ihrer Schwester Lydia, ab 1878 auch mit den nach Paris übersiedelten Eltern, in Paris, das damals das Zentrum der Kunstwelt war. Von ihrer Familie überredet, setzte sie ihr Studium bei Charles Chaplin, einem akademischen Maler, fort, beendete diese aber, da sie die von ihm vorgegebenen Regeln als zu einengend empfand. Die von ihr in den Jahren 1875 und 1877 beim Salon de Paris eingereichten Werke wurden abgelehnt. Allerdings hatte 1877 Edgar Degas das von ihr eingereichte Werk gesehen, und sie eingeladen, sich den Indepandants, später Impressionisten genannt, anzuschließen. Mary Cassatt: “Ich habe mit Freude angenommen…Ich lehnte die konventionelle Kunst ab. Ich fing an zu leben.” (zitiert nach FemBio)

Die Malerei des Impressionismus hatte sich als Gegenbewegung zur anerkannten, akademischen, traditionellen Malerei des 19. Jahrhunderts entwickelt. Sie unterschied sich sowohl in der Malweise als auch durch die von ihr aufgegriffenen Themen, die sich nicht der Geschichte, sondern dem Alltagsleben der Menschen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zuwandten, von der vorherrschenden akademischen Strömung. Mary Cassatt war die einzige Amerikanerin, die in den Kreis der Impressionisten aufgenommen wurde, und neben Berthe Morisot und Marie Bracquemond war sie eine der drei Frauen in dieser Gruppe.

Ab 1879 bis 1886 stellte Mary Cassatt regelmäßig mit den Impressionisten aus. Es war nicht nur ihre Malweise, sondern vor allem auch die von ihr in ihrer künstlerischen Arbeit aufgegriffenen Themen, die besondere Beachtung fanden. Neben Porträts war ihr künstlerisches Thema die moderne Frau des Bürgertums im ausgehenden 19. Jahrhundert, die sie aus der respektvollen Sicht der Malerin als eigenständige Wesen in ihrem täglichen Leben zeigte. Aufgrund der Anregung von Edgar Degas und Pierre-Auguste Renoir konzentrierte sie sich auf Porträts, vor allem auch auf Porträts von Frauen, zeigte lesende Frauen, Frauen in der Oper, in ihrer Freizeit, Frauen, die eine Kutsche lenken, und vor allem Frauen mit Kindern. Dazu ist anzumerken, dass sich im 19. Jahrhundert ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel in Bezug zur Einstellung zu Kindern vollzog. Kinder wurden nun nicht mehr als kleine Erwachsene angesehen, womit die Kindheit einen besonderen Stellenwert bekam und von Mary Cassatt zum Thema gemacht wurde.

Für den Impressionismus war sie als Mitglied der Gruppe insofern von besonderer Bedeutung, da sie den Impressionismus durch ihre Kontakte zu Sammler:innen wie Louisine Havermeyer und Bertha Honore Palmer auch in den Vereinigten Staaten bekannt machte. Werden heute sowohl die Impressionisten wie Edgar Degas, Piere-Auguste Renoir und Claude Monet als auch Mary Cassatt als die größten Künstler:innen ihrer Zeit gefeiert werden, fand ihr Werk zu ihren Lebzeiten vor allem in den Vereinigten Staaten erst langsam Anerkennung, da es wegen seiner Modernität zum Teil abgelehnt wurde

Nach der Auflösung der Gruppe der Impressionisten begann Mary Cassatt, sich verstärkt mit Grafik zu beschäftigen und wurde nach 1886 Teil der “Peinter-Printmaker”-Bewegung, die ab 1889 Ausstellungen in der Galerie Durand-Ruel in Paris organisierte, jener Galerie, die auch die Impressionist:innen vertrat. Auch als Grafikerin hat sie ein umfangreiches Werk geschaffen und mit ihren Farbdrucken Maßstäbe für die Zukunft gesetzt.

Ab den 1890er Jahren wurde sie zunehmend eine anerkannte und berühmte Künstlerin, sowohl in Frankreich als auch in den Vereinigten Staaten. Dass es Mary Cassatt zunehmend gelang, sich in der Kunstwelt Anerkennung zu verschaffen, ist nicht nur auf ihr künstlerisches Talent und ihren Fleiß zurückzuführen, sondern vor allem auch darauf, dass sie die Bedeutung von Netzwerken, Galleristen, Sammler:innen, Ausstellungen, Kritiker:innen erkannte und mit Geschäftssinn ihre Vermarktung im Sinne eines Marketings betrieb.

Mary Cassatt hatte sich gegen den Widerstand ihrer Eltern für eine Karriere als Künstlerin und gegen eine Familie entschieden, was zu einer Zeit, in der die Kunstwelt von Männern dominiert wurde, geradezu revolutionär war. Im Laufe ihres Lebens hat sie sich auch immer für Frauenrechte und die Frauenwahlrechtsbewegung der Suffragetten eingesetzt.

1904 wurde sie zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt, 1910 wurde sie Mitglied der National Academy of Design in New York, 1914 erhielt sie die Goldmedaille der Pennsylvania Academy of Fine Arts. 1973 wurde sie in die National Women´s Hall of Fame der Vereinigten Staaten in New York aufgenommen.

Die Zeit ab 1900 ist vor allem durch ein Augenleiden überschattet, das sie ab 1901 zwang, ihre künstlerische Tätigkeit nach und nach einzustellen, zuerst die Anfertigung von Drucken, ab 1904 dann auch das Malen. Die Zeit des Ersten Weltkrieges verbrachte sie in Grasse in Südfrankreich, danach kehrte sie in das von ihr erworbene Schloss Chateau de Beaufresne in der Nähe von Paris zurück, wo sie 1926 starb.

Unvergessen geblieben ist ihr Werk, das in vielen bedeutenden Museen zu sehen ist.

“Ich habe einige Menschen mit einem Sinn für Kunst berührt – sie spürten die Liebe und das Leben. Können Sie mir etwas anbieten, das mit dieser Freude für einen Künstler vergleichbar ist?” (Mary Cassatt)

Mary Cassatt, The Reading Lesson. c.1901. Dallas Museum of Art

Link: auf WikiArt sind 306 Kunstwerke von Mary Cassatt zu sehen: https://www.wikiart.org/de/mary-cassatt

siehe auch: Marie Bracquemond: https://www.diespurensucherin.at/marie-bracquemond/

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