Musik: Komponistinnen

Musik: Komponistinnen

Keine Männerdomäne

Wie in der Kunstgeschichte wurden und werden auch im Bereich der Musikgeschichte die Werke von Männern in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt. Umso bedeutender ist es, dass die Österreichische Nationalbibliothek unter dem Titel “Die übersehenen Komponistinnen” derzeit auf ihrer Homepage eine fundiert aufbereitete Online-Ausstellung über Komponistinnen des 20. Jahrhunderts zeigt.

Auf der Grundlage von in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek archivierten Nachlässen wird beispielhaft anhand von sieben Komponistinnen das vielfältige und sehr unterschiedliche Schaffen dieser Frauen präsentiert, deren Werk der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Ihr Schaffen umfasste von Opern, Orchester- und Kammermusik und Vokalmusik, und reicht in den Musikstilen von von spätromantischer bis moderner Musik.

Anhand der Lebensgeschichte, des beruflichen Werdegangs, ihrer Werke – für die es Musikbeispiele zum Anhören gibt – und mit einem Hinweis auf die verwendeten Quellen und Literatur werden die Komponistinnen und der wesentliche Beitrag, den sie für das kulturelle Leben und die Musik geleistet haben, vorgestellt: Johanna Müller-Hermann (1868-1941), Frida Kern (1891-1988), Sophie-Carmen Eckhardt-Gramatté (1899-1974),Petronella Göring (1906-1968), Grete von Zieritz (1899-2001), Luna Alcalay (1928-2012) und Nancy Van de Vate (1930-2023).

Trotz aller Unterschiedlichkeit waren diese Frauen, jede auf ihre Weise, Vorkämpferinnen. Sie haben nicht nur ein umfangreiches musikalisches Werk als Komponistinnen hinterlassen, sondern waren zudem in der Lehre, für die Weiterentwicklung und Verbreitung der Musik tätig.

So war Johanna Müller-Hermann zu ihrer Zeit nicht nur eine anerkannte Komponistin, deren Werke von bekannten Musikverlagen wie Doblinger gedruckt und in vielen Konzerten, darunter in den Konzertsälen des Wiener Konzerthauses und des Musikvereins aufgeführt wurden, sondern nach dem Ersten Weltkrieg durch ihre Berufung an das Neue Wiener Konservatorium auch die erste Professorin für Komposition im deutschen Sprachraum.

Frida Kern, Nancy Van de Vate, Petronella Göring und Luna Alcalay haben ihr umfangreiches musikalisches Wissen ebenfalls als Lehrende weitergegeben. Erwähnt werden soll, dass Frida Kern im Jahr 1943 für ihre Lehrtätigkeit am musikwissenschaftlichen Institut der Universität Wien, wo sie Harmonielehre, Kontrapunkt und Gehörbildung unterrichtete, ausdrücklich nur “bis zur Bestellung einer geeigneten männlichen Lehrkraft” bestellt wurde.

Sophie-Carmen Eckhardt-Gramatté, die nicht nur Komponistin sondern auch Dirigentin war, führte in Wien einen Musiksalon und war nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945 an der Neugründung der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik beteiligt und 1949 Gründungsmitglied der “Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik”.

Nancy Van de Vate, eine Amerikanerin, die seit den 1980er in Wien lebte, war eine Vorkämpferin für die Anliegen weiblicher Komponistinnen und Gründerin und von 1975 bis 1982 Vorsitzende der “League of Women Composers (später: International League of Women Composers). Sie setzte sich sowohl für die Rechte und für die verstärkte Wahrnehmung der Kolleginnen durch Aufführungen als auch durch öffentliche Kritik an fehlenden Teilhabemöglichkeiten von Frauen in öffentlichen Radiosendern, Wettbewerben oder bei der Berücksichtigung in Musiksammlungen ein. 1986 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann das Label “Vienna Modern Masters” zur Produktion von CDs mit zeitgenössischer Orchestermusik.

Im Gegensatz dazu stellte sich Grete von Zieritz gegen ihre Förderung als Frau im Kulturleben, da sie Künstlerin und nicht als Vertreterin eines Geschlechtes wahrgenommen werden wollte. Allerdings hatten es Frauen aufgrund ihres Geschlechts sehr schwer, Anerkennung zu finden, wie die Beispiele von Luna Alcalay und Nancy Van de Vate zeigen, die bei Stipendien und Auszeichnungen erst zum Zug kamen, als anonyme Einreichungen möglich wurden.

Exkurs I: Die Situation in Österreich

Im Hinblick auf Auftrittsmöglichkeiten für Musikerinnen und Aufführungsmöglichkeiten für Werke von Komponistinnen war es in Österreich sehr lange schlecht bestellt. Dazu ein kurzer Exkurs in das Musikleben in Österreich in den 1980er und 1990er Jahren. Im Jahr 1982 wurde das 1. Frauenkammerorchester von Österreich gegründet, da selbst Absolventinnen von Musikkonservatorien und Hochschulen und damit bestausgebildete Musikerinnen von den meisten großen Orchestern noch nicht aufgenommen wurden. Mit dem Frauenkammerorchester wurde für Musikerinnen damals die Möglichkeit von Auftrittsmöglichkeiten geschaffen. Gleichzeitig hat es sich als erstes Orchester mit den Werken von durch das nationalsozialistische Regime vertriebenen KomponistInnen auseinandergesetzt und legte und legt großen Wert auf die Aufführung von Werken von Komponistinnen.

Als Beispiel für ein großes Orchester, in dem Frauen keine Aufnahme fanden, seien hier die Wiener Philharmoniker genannt. Bis Mitte 1990er Jahre waren alle politischen Verhandlungen mit den Wiener Philharmonikern über die Aufnahme von Musikerinnen gescheitert. Doch bedeutete der EU-Beitritt Österreichs mit 1. Jänner 1995 auch für diesen Bereich ein notwendiges Weiterdenken, da dadurch die “Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen” Anwendung fand.

In einem neu abzuschließenden Vertrag der Republik Österreich mit den Wiener Philharmonikern konnte die Aufnahme einer Formulierung erreicht werden, wonach Grundlage des Vertrages ist, “dass sich der Verein weiterhin verpflichtet, entsprechend dem bereits am 28. Februar 1997 gefassten Beschluss die absolute Chancengleichheit von Männern und Frauen im Orchester zu wahren.” (Zitiert nach Wikipedia) Das Ergebnis war, dass die Wiener Philharmoniker am 27. Februar 1997 erstmals eine Frau, die Harfenistin Anna Lelkes, aufnahmen, die bis zum Jahr 2006 (!!!) die einzige Frau bei den Wiener Philharmonikern blieb. 2022 waren 23 von 144 der Positionen, das sind 16 %, mit Frauen besetzt.

Exkurs II: Österreichs erste Musikkritikerin

Abschießend noch ein Hinweis auf einen weiteren Aspekt der Musikgeschichte, jenen der Musikkritik. Die erste österreichische Musikkritikerin war Elsa Bienenfeld. Sie hatte als erste das Fach Musikwissenschaft absolviert und wurde als erste Frau 1903 zum Doktor der Philosophie im Fach Musikwissenschaft promoviert. Zudem hatte sie Harmonielehre am Wiener Konservatorium und Komposition studiert und diese Studien mit einem Diplom als Pianistin abgeschossen. 1905 begann sie ihre Tätigkeit als Kulturjournalistin beim Neuen Wiener Journal, wo sie ab 1906 25 Jahre lang die Musikredaktion leitete, gleichzeitig als Korrespondentin Musikkritiken für die Frankfurter Zeitung schrieb und sich einen Namen als einflussreiche Musikkritikerin machte.

Link: Online-Ausstellung “Die übersehenen Komponistinnen”: https://www.onb.ac.at/museen/online-ausstellungen/die-uebersehenen-komponistinnen (bis 31. März 2024)

(danach ist die Ausstellung im Archiv der Online Ausstellungen der onb zu finden: https://www.onb.ac.at/museen/online-ausstellungen)

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