Max Oppenheimer

Max Oppenheimer

Fünf Jahrzehnte Kunstschaffen

Einem der großen Wiener Expressionisten ist derzeit im Leopold Museum die erste umfassende Retrospektive gewidmet: Max Oppenheimer. Damit wird erstmals sein Werk von den Anfängen um 1908 bis zum Beginn der 1950er Jahre präsentiert und sein Schaffen in Verbindung mit der Kunst der Moderne, zu anderen Künstlern sowie seine Beschäftigung mit sich neu entwickelnden Kunstströmungen wie Kubismus, Futurismus und Neue Sachlichkeit und deren Integration in sein Werk vorgestellt.

Anonyme*r Fotograf*in: Max Oppenheimer, um 1925 © Archiv Museum Langmatt, Stiftung Langmatt Sidney und Jenny Brown, Baden, Schweiz

Max Oppenheimer wurde 1885 in eine bürgerliche, intellektuelle, jüdische Familie in Wien geboren. Sein Vater war Journalist und Musikkritiker, Redakteur der Neuen Freien Presse, und Mitherausgeber der Blätter für Theater, Musik und Kunst, ein Umstand, der später seine Integration in die Wiener Kunst- und Kulturszene erleichtern sollte. Bereits mit 15 Jahren besuchte er die Vorbereitung für die Allgemeine Malerschule und begann 1900 sein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Nach dem Tod seines Vaters setzte er sein Studium ab 1903 in Prag an der Prager Akademie der bildenden Künste fort.

Er hatte sein Studium noch nicht ganz abgeschlossen, als er 1906 bei der XVI. Ausstellung der Wiener Sezession bereits zwei Gemälde zeigen konnte. Nach Abschluss seines Studiums widmete er sich vorerst vor allem der Porträtmalerei. Er porträtierte Persönlichkeiten aus den Bereichen Kunst, Literatur, Musik und Wissenschaft, darunter Sigmund Freud, Heinrich Mann, Anton Webern, Arnold Schönberg und Adolf Loos.

Max Oppenheimer, Bildnis Sigmund Freud, 1909 Öl auf Leinwand | New York Psychoanalytic Society and Institute Foto: New York Psychoanalytic Society & Institute, New York

Wien war um 1900 eine der bedeutendsten Kunstmetropolen Europas, in der nach der Jahrhundertwende neue Ideen, Geist- und Kunstströmungen Fuß fassen konnten, die um 1910 zu einer radikalen Neuausrichtung der Kunstszene führten.

Im Jahr 1908 war er bei der von der Klimt-Gruppe organisierten und der österreichischen Kunst gewidmeten 1. Wiener Kunstschau mit einem Selbstporträt vertreten, 1909 konnte er zwei seiner Gemälde bei der Wiener Internationalen Kunstschau zeigen. Diese Ausstellungen bedeuteten sowohl das Bekanntwerden seines Werkes als auch die Möglichkeit der Vernetzung mit anderen Künstlern und das Kennenlernen von neuen Kunstrichtungen dieser Zeit.

Nachdem er seinen Lebensmittelpunkt 1908 wieder nach Wien verlegt hatte, konnte er sich nicht nur verstärkt mit andern Künstlern wie beispielsweise Oskar Kokoschka und Albert Paris Gütersloh vernetzen, es begann auch eine mehrjährige Künstlerfreundschaft mit Egon Schiele, mit dem er sich zwischen 1909 und 1912 zeitweise ein Atelier teilte.

Sein Selbstporträt von 1911 zeigt einen von Zweifel gezeichneten Künstler, der als Jude mit dem wachsenden Antisemitismus dieser Zeit, als Homosexueller mit den Anfeindungen der Gesellschaft und als Künstler mit der reaktionären Künstlerelite zu kämpfen hatte. In der Zeit nach 1911 beschäftigte er sich, angeregt durch das Werk El Grecos, zunehmend mit mythologischen und religiösen Themen.

Die erste Einzelausstellung Max Oppenheimers fand 1911 mit großem Erfolg in der bedeutenden Münchner Galerie Thannhauser, eine weitere nach seinem Umzug nach Berlin im Salon von Paul Cassirer statt. In Berlin beginnt ab 1912 auch seine intensivere Beschäftigung mit Druckgrafik, da er für die sozialrevolutionäre Zeitschrift Die Aktion bis 1921 regelmäßig Beiträge verfasst und Illustrationen anfertigt.

Ab 1913 wurden Stillleben und ab 1914 Musik zu wichtigen Themen seines künstlerischen Schaffens. Max Oppenheimer befasste sich von Kindheit an mit Musik, spielte selbst Violine, sammelte alte Musikinstrumente und schrieb Werke über die Entstehung des Geigenbaus anhand der Geigenbauerdynastien Amati, Guaneri und Stradivari und über den Geigenvirtuosen und Komponisten Niccolò Paganini.

Max Oppenheimer, Klingler-Quartett, 1917 Öl und Tempera auf Leinwand | Belvedere, Wien Foto: Belvedere, Wien

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges übersiedelte er, da er aufgrund einer Erkrankung vom Kriegsdienst befreit worden war, im Jahr 1915 in die neutrale Schweiz, wo er bis 1923 bleiben und in Zürich und Genf seine Karriere weiterführen sollte. So beteiligte er sich gemeinsam mit Emma Hennings, Hans Arp, Sophie Taeuber, Tristan Tzara und anderen an der Gründung des Cabaret Voltaire in Zürich, in der der Dadaismus begründet wurde und stelle am Eröffnungsabend sowie 1916 in der ersten Dada-Ausstellung aus.

In der Schweiz entstand in den Jahren 1921-1923 auch eines seiner zentralen Werke, das Bild “Das Orchester”, das Gustav Mahler und die Wiener Philharmoniker zeigt, und das in der
Herbstausstellung des Pariser Grand Palais 1923 präsentiert wurde.

Als er 1924 nach einem Aufenthalt in Paris wieder nach Wien zurückkehrte, wurde in den Ausstellungsräumen des Hagenbundes eine umfassende Ausstellung veranstaltet, in der 111 seiner Werke gezeigt wurden. Im Jahr darauf wurde er Vizepräsident des neu konstituierten Bundes Österreichischer Künstler, konnte im Künstlerhaus ausstellen und erhielt einen Ehrenpreis des österreichischen Bundesministeriums für Unterricht.

Die anhaltende Wirtschaftskrise in Österreich, die auch negative Auswirkungen auf den Kunsthandel hatte, zwang ihn 1925 jedoch erneut zu einer Übersiedlung nach Berlin, wo es zu dieser Zeit noch eine Offenheit für neue Kunstströmungen gab, die ihm ermöglichte, verstärkt auszustellen und seine Werke auch an deutsche Museen zu verkaufen.

Die Werke dieser Zeit geben den “Zeitgeist” dieser Jahre wieder, wobei er das großstädtische Lebensgefühl beispielsweise durch Bilder von Sportveranstaltungen, der Eisrevue oder durch eine Schachpartie wiedergab. Im Verlag von Bruno Cassirer wurde 1931 Das graphische Werk von Max Oppenheimer herausgegeben.

Max Oppenheimer, Sechstagerennen, um 1929 Öl auf Leinwand | Privatbesitz Foto: Leopold Museum, Wien/Foto: Lisa Rast

Der Aufstieg der Nationalsozialisten und die zunehmende Antisemitismus in Deutschland waren die Gründe für die neuerliche Übersiedlung Max Oppenheimers 1932 nach Wien. Zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 1935 fand eine große Ausstellung mit Gemälden, Zeichnungen und Grafiken des Künstlers statt. 1937 stellt er bei der Exposition d’Art Autrichien in Paris aus.

Da er aufgrund seiner jüdischen Wurzeln von den nationalistischen Machthabern als “entarteter Künstler” eingestuft wurde, wurden zur gleichen Zeit aber seine Werke, aus den öffentlichen Sammlungen deutscher Museen entfernt. Einige seiner Werke wurden vernichtet, viele gelten als verschollen. Es ist ein besonderes Verdienst dieser Ausstellung, mit der Ausstellung von Fotografien von vernichteten und verschollenen Bildern an dieses erschütternde Kapitel der Geschichte zu erinnern.

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen und der Eingliederung Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland gelang es Max Oppenheimer noch rechtzeitig, in die Schweiz zu fliehen. Von dort versuchte er, ein Einreisevisum in die USA zu erhalten. Durch die Mithilfe von Friederike Beer-Monti, Leiterin der New Yorker The Artist’s Gallery, dem Bankier Frederik M. Warburg und Hugh Stix konnte er 1939 in die USA einreisen und bezog eine Wohnung im Hotel des Artistes in New York. Er wird Mitglied der American Guild for German Cultural Freedom, einer Hilfsorganisation für exilierte deutsche KünstlerInnen und Intellektuelle. Von New York organisiert er Einreisegenehmigungen für seinen Bruder und seine Schwägerin. Gleichzeitig gelingt ihm, 1940 einige seiner Werke von Österreich in die USA auszuführen und in New York auszustellen.

Porträt-Aufträge sichern zwar eine erste finanzielle Grundlage, trotzdem bleibt er auf die finanzielle Unterstützung von FreundInnen angewiesen. Trotz der schwierigen Lebenssituation entstehen in diesen Jahren eine Vielzahl von Werken, darunter Porträts und Stillleben.

Nach dem Krieg hoffte Oppenheimer auch wieder auf einen Neuanfang in Österreich. Er wurde 1953 Mitglied der Vereinigung bildender Künstler Wiens und beabsichtigte seine Beteiligung an der Sommerausstellung der Wiener Festwochen 1954, wo er sein Gemälde “Die Philharmoniker II”, das er 1952 fertiggestellt hatte, zeigen wollte. Diesen Plan konnte er nicht mehr verwirklichen. Max Oppenheimer ist 1954 in New York verstorben.

MAX OPPENHEIMER 1885–1954 Schachpartie, 1953 Öl auf Leinwand | Privatbesitz Foto: Leopold Museum, Wien/Foto: Lisa Rast

Anhand von rund 180 Werken – Gemälden, Zeichnungen, Radierungen und Lithographien – von Max Oppenheimer und Künstlern seiner Zeit in Wien wie Egon Schiele, Oskar Kokoschka, gegliedert in die zentralen Themenbereiche seines Schaffens Porträts, Mythologie und religiöse Themen, Musik und Stillleben, gelingt es der Ausstellung, diesen bisher viel zu wenig beachteten, für die Geschichte der Kunst und ihrer Entwicklung im 20. Jahrhunderts wichtigen Künstler und sein Schaffen nahe zu bringen.

“Aus meinem Chaos von Empfindungen löst sich das Werk – Natur ist Vielheit, Kunst ist Einheit.” (Max Oppenheimer, aus einem Brief an Arthur Roessler, 5.10.1910)

Die Ausstellung ist im Leopold Museum Wien noch bis 25. Februar 2024 zu sehen!

Adresse: Leopold Museum, Museumsquartier Wien, Museumsplatz 1 https://www.leopoldmuseum.org/

Öffnungszeiten: Mittwoch-Montag: 10:00-18:00 Uhr, Dienstag geschlossen. Öffnungszeiten während der Feiertage siehe Homepage!

Ausstellungsvideo: Max Oppenheimer (Kurzeinführung/Überblick, 3:13 min): https://www.youtube.com/watch?v=BfdFGsNad2I

Katalog: Max Oppenheimer. Expressionist der ersten Stunde. Hg.: Hans-Peter Wipplinger
Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln 2023

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