Thonet & Möbeldesign

Thonet & Möbeldesign

Zeitreise durch 200 Jahre Geschichte Möbeldesign

Im MAK – Museum für angewandte Kunst ist derzeit anlässlich des 200 Jahr-Jubiläums des Unternehmens die Ausstellung “Thonet und das moderne Möbeldesign” zu sehen, die die zentrale Bedeutung dieser Firma vor allem ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre für die Entwicklung des modernen Möbeldesings anschaulich macht.

Da das MAK – Museum für angewandte Kunst eine der bedeutendsten Sammlungen von Thonet-Möbeln der Welt und den weltweit größten Bestand an Bugholz-Möbeln hat, stammt ein Großteil der gezeigten Exponate aus dem eigenen Bestand. Die Ausstellung bietet mit rund 240 Exponaten einen umfassenden chronologischen Überblick über die Entwicklung und Geschichte der Bugholzmöbel.

Das besondere und einzigartige dieser Ausstellung ist, dass die Kuratoren, Sebastian Hackenschmidt und Wolfgang Thillmann, die Vorstellung der Thonet-Möbel mit der historischen, ästhetischen, technologischen und typologischen Entwicklung des Möbeldesings verbinden. Dabei zeigen sie auch Zäsuren und dadurch notwendig gewordene Neuorientierungen. Entwicklungen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Möbelproduktion werden durch die Gegenüberstellung von mehreren Objekten aus der jeweils gleichen Zeit vorgestellt.

Die Ausstellung zeigt die Anfänge der Bugholztechnologie, ihre Weiterentwicklung und den Übergang vom Handwerk zur industriellen Fertigung. Vorauszuschicken ist, dass die Gebrüder Thonet für die Herstellung von Bugholzmöbeln aus Buchenholz die Schichtverleimung zwar nicht erfunden haben, jedoch eine rationellere Fertigungsmethode. Bei dieser wurden die Leisten nicht mehr einzeln, sondern in Leistenbündeln in eine entsprechende Form gepresst. Dies war die Voraussetzung für eine Produktion von großen Stückzahlen eines neuen preiswerten Möbeltyps, der sich durch Formschönheit, Haltbarkeit, Leichtigkeit und Eleganz auszeichnete.

Sitzmöbel (Sessel, Fauteuils, Liegen) sehen im Mittelpunkt der Ausstellung. Das hat auch einen guten Grund: sie sind seit den Anfängen bis heute Kernkompetenz des Unternehmens. Thonet hat mit seinen Kaffeehaussesseln den Geschmack ganzer Generationen geprägt und dazu beigetragen, dass im Möbeldesign Sessel heute das Leitmedium sind.

Weltbekannt wurde die Marke Thonet bereits im 19. Jahrhundert durch die Teilnahme an internationalen Ausstellungen und Weltausstellungen (London 1851 und 1862, Paris 1867, Wien 1873, Philadelphia 1876). Um 1870 hatte die Firma Verkaufsstellen u.a. in Paris, London, Rom, Madrid, Barcelona, Brüssel, Prag, Frankfurt am Main, Hamburg, Moskau, Odessa, St. Petersburg, New York und Chicago.

Spätestens mit dem Stuhl Nr. 14, dem “Kaffeehaussessel”, der 1859 kreiert wurde und in jedem besseren Kaffeehaus (wie Café Griensteidl, Café Museum in Wien) zu finden war, wurde die Marke Thonet auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt und stilprägend. Bis 1930 wurden vom Stuhl Nr. 14 rund 50 Millionen Stück (!) hergestellt und verkauft.

Aber Thonet war in den 1860er Jahren auch führend bei Entwicklung der sog. mechanischen Möbel (Drehstockerl, Drehfauteuils) und Klappsesseln. Im Jahr 1888 wurde von der Firma Thonet der erste Theater-Klappstuhl der Welt entwickelt.

Die Zusammenarbeit mit bedeutenden Designern wurde vor allem seit der Zeit der Jahrhundertwende zu einem wichtigen Aspekt der Firma. Ein Meilenstein des Möbeldesigns wurde mit der – gemeinsam mit der Firma Jacob & Josef Kohn erfolgenden – Umsetzung der Entwürfe für die Einrichtung der Wiener Postsparkasse von Josef Hoffmann gesetzt.

Nach dem ersten Weltkrieg erfolgte 1918 die Gründung der Thonet AG und 1923 eine Fusion mit den Mitbewerbern Mundus und später mit der Firma Jakob und Josef Kohn, die zur Erhaltung der Vormachtstellung auf dem Weltmarkt notwendig wurde. Die Firma Thonet hat nach dem ersten Weltkrieg aber auch als erste eine Fabrik zur Erzeugung von Sperrholz gebaut, das für Sitz- und Rücklehnen mit einem dekorativen Lochmuster versehen wurde.

In den 1920er-Jahren etablierte sich Thonet auch in einem anderen Bereich: 1933 war die Firma bereits der wichtigste Produzent moderner Stahlrohrmöbel. Mit Stahlrohrmöbeln aus dem Bauhaus erlangte sie Weltruhm. Dazu gehörten der berühmte Klubsessel “Wassily” nach dem Entwurf von Marcel Breuer (1925) und der Freischwinger-Sessel nach dem Entwurf von Mies van der Rohe (1928). Zudem wurden Entwürfe von Le Corbusier umgesetzt.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde das Unternehmen Thonet zerschlagen. Die tschechischen, polnischen und ungarischen Werke wurden enteignet und der Wiener Stammsitz zerstört. Der Besitzer, Leopold Pilzer, wurde zur Emigration gezwungen und floh in die Vereinigten Staaten und gründete dort die Thonet Industries.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwicktelten sich in Deutschland getrennte Unternehmen. In Deutschland baute nach dem Zweiten Weltkrieg ein Urenkel des Gründers, Georg Thonet, das 1890 errichtete und ebenfalls im Krieg zerstörte Werk in Frankenberg wieder auf und gründete 1953 die Thonet GmbH, die bis heute besteht. http://www.thonet.de/startseite.html

In Österreich wurde ebenfalls von Nachfahren der Firmengründer 1962 mit einem Werk in Friedberg in der Steiermark wieder mit der Produktion begonnen. Dieses Werk musste aufgrund von Managementfehlern 1996 einen deutschen Investor und danach nochmals im Jahr 2000 an den italienischen Luxusmöbelhersteller Poltrona Frau verkauft werden. Das österreichische Thonet-Werk wurde 2006 geschlossen. Die Firma besteht unter der Marke Gebrüder Thonet Vienna weiter.

Die Ausstellung ist noch bis 13. April 2020 im MAK zu sehen!

Adresse: MAK-Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien http://www.MAK.at

Öffnungszeiten: Dienstag: 10:00 – 22:00 Uhr, Mittwoch – Sonntag 10:00-18:00 Uhr

Katalog: Bugholz, Vielschichtig. Thonet und das moderne Möbeldesign. MAK Studies 28. Hg. Christoph Thun-Hohenstein, Sebastian Hackenschmidt. MAK,Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2020.

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