Das ungleiche Geschlecht

Das ungleiche Geschlecht

Die Gefahren der konservativen Wende für die Frauen

In ihrem 2019 erschienen Buch „Geht´s noch! Warum die konservative Wende für Frauen gefährlich ist“ greift die Publizistin und Philosophin Lisz Hirn vor dem Hintergrund des von den Konservativen wieder propagierten Familienideals der 1950er-Jahre aktuelle Fragen zur Gleichberechtigung bzw. Diskrimierung von Frauen auf.

Es geht ihr dabei darum, „die aktuellen gesellschaftlichen Brandstifter – und Brandstifterinnen – zu benennen und anhand konkreter Beispiele der jüngeren Vergangenheit ihr Vorgehen zu dokumentieren.“

Theoretisch fundiert und belegt mit konkreten Beispielen zeigt sie, wie im Zusammenhang mit der konservativen Wende die alten Rollenbilder von Männern und Frauen wieder verstärkt werden und eine ideologische Wiederbelebung des Muttermythos erfolgt. Gefordert wird wieder eine strikte Trennung der männlichen und weiblichen Aufgaben und Rollen – mit der Betonung der Rolle der Frau als Ehefrau und Mutter, einschließlich der Kontrolle des weiblichen Körpers und Verhaltens durch Gesetze, Verbote, Schönheitsideale oder Zurechtweisungen durch einschlägige Postings im Internet.

Gleichzeitig werden Emanzipation als Männer- und familienfeindliche Ideologie dargestellt, politische Maßnahmen wie das Gender- Mainstreaming zum Abbau der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern abgelehnt und wissenschaftliche Forschung, die sich mit der der sozialen und kulturellen Bedingtheit der Geschlechterrollen beschäftigt, angegriffen. Als Beispiel verweist sie auf die Diffamierung der „Gender-Studies“ durch die ungarische Orbán-Regierung.

Ausgehend von einem Begriff der Gleichstellung, der besagt, dass die Interessen von Frauen und Männern in gleichem Maß berücksichtigt werden müssen, zeigt sie Ungleichheit von Frauen in Familie und Arbeitswelt: Gender Pay Gap (Frauen verdienen in Österreich im Durchschnitt 20,1 % weniger als Männer), Teilzeitarbeit (49 % aller Mütter mit Kindern unter 15 arbeiten in Teilzeit, aber nur 6% der Väter) , fehlende ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen, ungleiche Verteilung der Hausarbeit, Altersarmut durch Teilzeitarbeit, unterbrochene Erwerbsbiografien und auch in Folge des im Zuge Pensionsreform 2003 eingeführten längeren Durchrechnungszeitraums für die Berechnung der Höhe der Pensionen, sowie am Beispiel eines Frauen diskriminierenden Algorithmus des österreichischen Arbeitsmarktservices.

Im Kapitel „Blut, Burka und Bekenntnis“ widmet sie sich dem Thema von Bekleidungsverboten. Sie weist darauf hin, dass das Tragen der Burka die soziale und politische Teilhabe in einem Ausmaß erschwert, das für funktionierende demokratische und soziale Prozesse ion liberalen, säkularen Gesellschaften problematisch ist.“ Wird Geschlechterungerechtigkeit als kulturelle Vielfalt akzeptiert, gefährdet die herrschende Toleranz die westliche Demokratie.

Sie verweist auf die derzeitige Frauenpolitik, die nicht die Durchsetzung von strukturellen Änderungen durch politische und ökonomische Maßnahmen sondern nur die Beseitigung der ärgsten Ungleichheiten zum Ziel hat.

Das Ziel, die Gleichstellung von Mann und Frau unter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Lebensbedingungen und Interessen zu verwirklichen, scheint in weite Ferne zu rücken.“ Trotzem gehe es um die Verwirklichung einer Gesellschaft, „in der nicht länger das Geschlecht bestimmt, wie viele Rechte, Teilhabemöglichkeiten und Freiheiten eine Person hat.“

Dieses verständlich geschriebene, gut durchargumentierte Buch ist ein wichtiger Diskussionsbeitrag zur aktuellen politischen Situation und zu frauenpolitischen Themen in Österreich.

Lisz Hirn, Geht´s noch! Warum die konservative Wende für Frauen gefährlich ist. Wien – Graz 2019

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