Marie Jahoda

Marie Jahoda

„Man braucht Konzepte, Ideen und einen kritischen Standpunkt“

Marie Jahoda 1907-2001
(© AGSÖ, Graz)

Marie Jahoda war eine Pionierin der Sozialpsychologie und empirischen Sozialforschung.

Geboren in Wien in eine jüdische sozial-liberale Familie, besuchte sie von 1918 bis 1926 ein fortschrittliches Mädchenrealgymnasium in Wien. 1919 verbrachte sie ihre Ferien in einem Ferienlager der Pionierin der Mädchenbildung Eugenie Schwarzwald. Bereits während ihrer Schulzeit war sie ab 1924 Mitglied in der neugegründete Vereinigung sozialistischer Mittelschüler, kaum zwei Jahre später Obfrau und 1926 auch Sekretärin des Bundes Sozialistischer Mittelschüler Österreichs.

Ihre weitere Ausbildung machte sie am neugegründeten Pädagogischen Institut der Stadt Wien, wo sie den „Hochschulmäßigen Lehrerbildungskurs des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien 1928 abschloss. Gleichzeitig inskribierte sie an der Universität Wien Psychologie und Germanistik, ein Studium, das sie Anfang 1932 abschloss.

Bereits 1927 hatte sie Paul Lazarsfeld geheiratet (mit dem sie bis 1934 verheiratet war); die gemeinsame Tochter kam 1930 zur Welt. Ihre wichtigste berufliche Tätigkeit war die an der Österreischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle, in deren Rahmen sie auch an der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ arbeitete, die 1933 erschien. Daneben war sie nach wie vor politisch tätig, im Verein sozialistischer Pädagogen, Referentin bei sozialdemokratischen Frauenvereinen.

Nach dem nach den Febrauarkämpfen 1934 sowohl die Sozialdemokraische Arbeiterpartei als auch all ihre Teil- und Vorfeldorganisatioen verboten wurden, und sie als Volksschullehrerin aus politischen und religiösen Gründen entlassen worden war, setzte Marie Jahoda ihre politische Tätigkeit im Untergrund fort. Nach einer Denunziation wurde sie Ende November 1936 verhaftet und verurteilt, und kam nur aufgrund mehrerer Interventionen aus dem Ausland im Juli 1937 unter der Bedingung, Österreich zu verlassen, wieder frei.

Ihre Emigration führte sie nach London, wo sie in der österreichischen Exilbewegung aktiv wurde und für den Sender Radio Rotes Wien arbeitete, beim War-Time Social Survey und am National Institute of Social and Economic Research tätig war.

Nach dem Krieg ging sie in die Vereinigten Staaten, wo sie zuerst am Depratment of Scientific Research and Program Evaluation“ des American Jewish Committee, dann am Department of Psychology der Universität von Manchester arbeitete.

Aufgrund ihrer Heirat mit Austen Albu ging sie zurück nach Großbritannien, wo sie 1962 am Brunel College of Advanced Technology Professor für Psychologie wurde und eine eigenständige Abteilung „Department for Psychology and Social Science“ aufbaute. Zudem lehrte sie an der London School of Economics und am Nuffield College der Universsät Oxford.

1965 nahm sie eine Stelle als Professor für Sozialpsychologie an der University of Sussex an. Dort baute sie das erste Department für Sozialpsychologie in Großbritannien auf, das sie bis 1973 leitete.

Nach ihrer Emeritiereung arbeite sie aktiv an der interdisziplinären „Science Policy Research Unit“ der Universität Sussex mit.

Ihre Forschungsarbeiten umfassen Themen wie psychische Gesundheit, Einflüsse der Psychoanalyse, Vorurteile, Kultur und Gemeinschaft, Race Relations, Antisemitismus, Arbeit und Arbeitslosigkeit.

Trotz ihrer lebenslangen bedeutenden Forschungsarbeiten im Bereich der Psychologie und Sozialpsychologie erfolgte die Anerkennung durch das offizielle Österreich erst sehr spät: 1993 erhielt sie das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, erst 1998 erhielt sie das Ehrendoktorat der Universität Wien. 15 Jahre nach ihrem Tod, im Jahr 2016, wurde im Arkadenhof der Universität Wien eine Büste von ihr aufgestellt.

Aufgrund einer testamentarischen Bestimmung von Marie Jahoda kam ihr wissenschaftlicher Nachlass an das Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich in Graz.

Links:

Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich http://agso.uni-Graz.at

Wien Geschichte Wiki http://geschichtewiki.wien.gv.at


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