Auf Linie

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NS-Kunstpolitik in Wien

Unter diesem Titel zeigt das Wien Museum in Kooperation mit der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, Landesverband für Wien, Niederösterreich, Burgenland, eine Ausstellung, die sich mit der Kunstpolitik in Wien zur Zeit des Nationalsozialismus befasst, aber auch mit der Zeit kurz vor dem sog. “Anschluss” Österreichs an das Deutsche Reich und der Zeit nach 1945.

Grundlage für diese Ausstellung ist eine umfassende Forschungsarbeit von Ingrid Holzschuh und Sabine Plakolm-Forsthuber, die das Archiv der Reichskammer der bildenden Künste in Wien wissenschaftlich ausgewertet und die Ergebnisse in einer Publikation veröffentlicht haben und als Kuratorinnen die Ergebnisse in dieser Ausstellung präsentieren.

Grundlage für diese Forschung waren rund 3.000 Personalakten der Reichskammer der bildenden Künstler Österreichs, die bei der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs archiviert waren und die vom ehemaligen Präsidenten der Berufsvereinigung (2007-2015), dem Bildhauer Karl Novak, in langjähriger Arbeit geordnet, digitalisiert und für die Forschung zugänglich gemacht wurde.

AUSSTELLUNGSPLAKAT, AUF LINIE. NS-KUNSTPOLITIK IN WIEN, WILHELM FRASS, DIE OSTMARK (DER KÜNSTLER BEI DER ARBEIT), 1939 Foto: Julius Scherb Stadtmuseum St. Pölten

Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland gründete Alfred Rosenberg die erste kunstpolitische Organisation der Nationalsozialisten, den Kampfbund für deutsche Kultur. Nach der Machtübernahme wurde im September 1933 mit der Gründung der Reichskulturkammer durch den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, der gesetzlichen Rahmen für die “Kulturarbeit” geschaffen.

Die Reichskulturkammer war das Instrument der nationalsozialistischen Kulturpolitik und des Propagandaministeriums, Goebbels war ihr Präsident. Die Reichkulturkammer war in sieben Einzelabteilungen gegliedert, die Reichsfilm-, Reichsmusik-, Reichstheater-, Reichspresse-, Reichsschrifttumskammer, Reichskammer der bildenden Künste und Reichsrundfunkkammer.

Ihre Aufgabe war eine einheitliche Kulturförderung, wobei es im Wesentlichen um die staatliche Organisation und Überwachung der Kultur ging. Die Kultur wurde zentral gesteuert, musste sich der ideologischen Propaganda der Nationalsozialisten unterordnen und entsprechend der Ideologie des Nationalsozialismus dem Staat, dem Volk und der arischen Rasse dienen. Von den Nationalsozialisten akzeptierte und ausgestellte bildende Kunst hatte immer diesem Kunstverständnis zu entsprechen. Dieses “Kunstverständnis” war geprägt von der Bekämpfung alles “Artfremden”, der Ideologie von der Überlegenheit der arischen Rasse, einem Rückgriff auf die traditionelle Malerei des späten 19. Jahrhunderts und einer radikalen Ablehnung der modernen Kunst wie Impressionismus, Expressionismus, Kubismus, Fauvismus und abstrakte Malerei. Diese von den Nationalsozialisten als entartet bezeichnete Kunst wurde aus den Museen entfernt und in einer Wanderausstellung “Entartete Kunst” in Deutschland und Österreich gezeigt.

Plakat der Ausstellung “Entartete Kunst”. Foto aus der Ausstellung: Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien

Gleichzeitig hatte die Reichskulturkammer und die ihr angeschlossene Bürokratie die Aufgabe, die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Kulturschaffenden, die zur Mitgliedschaft verpflichtet waren, zu regeln. Dies bedeutete ein strenges Aufnahmeverfahren, bei dem nicht nur die künstlerischen Fähigkeiten, sondern vor allem die politische Zuverlässigkeit überprüft wurde und auf der Grundlage der Nürnberger Gesetze ein Ariernachweis vorzulegen war. Das war gleichbedeutend mit dem Ausschluss von RegimekritikerInnen, politisch Andersdenkenden und aller jüdischen KünstlerInnen. Nur Mitglieder erhielten eine Arbeitserlaubnis. Wurde die Mitgliedschaft verweigert, kam dies einem Berufsverbot gleich. Viele andersdenkende und jüdische KünstlerInnen wurden verfolgt, waren zur Flucht gezwungen oder in Konzentrationslagern ermordet.

Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 traten die deutschen Reichsgesetze auch hier in Kraft, so auch das Reichskulturkammergesetz. Die Wiener Landesleitung der Reichskulturkammer wurde im Künstlerhaus eingerichtet (später übersiedelte es in die Räume des Reichspropagandaamtes im Palais Epststein) und Leopold Blauensteiner zum Landesleiter ernannt; Erster Geschäftsführer waren Marcel Kammerer und ab 1943 Franz Schlögel. Die politische Lenkung auf Landesebene erfolgte durch das von den Nationalsozialisten gegründete Kulturamt unter der Leitung von Vizebürgermeister Hanns Blaschke. Das Kulturamt fungierte als städtischer Auftraggeber, das den Nationalsozialisten genehme KünstlerInnen förderte und sie auch mit der künstlerischen Neugestaltung des Rathauses im Sinne des NS-Regimes beauftragte.

Das Kulturamt war gemäß dem Organisationsschema der Reichskammer der bildenden Künste in einzelne Gruppen gegliedert: Malerei, Bildhauerei, Architektur, Schriftgestaltung, Kunsthandwerk, Mode, Musik, Schrifttum, Theater, Büchereiwesen, Volks- und Brauchtum, Festgestaltung und Ausstellungswesen. Diese Aufzählung zeigt für sich schon, wie umfassend die Kontrolle und die Eingriffe in alle Bereiche der Kultur und die Kontrolle der Beschäftigten in allen diesen Bereichen durch die Nationalsozialisten waren.

Wien 1, Künstlerhaus 1938. Fotografie Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung © Österreichische Nationalbibliothek. Propaganda für die Volksabstimmung am 10. April 1938.

Zentraler Ort der Propagandaausstellungen war das Künstlerhaus. Das Künstlerhaus war unter der Präsidentschaft von Leopold Blauensteiner, dem späteren Landesleiter der Reichskulturkammer, schon vor dem Anschluss ein Sammelbecken nationalsozialistischer Künstler gewesen und hatte bereits zu dieser Zeit seine Beziehungen zum nationalsozialistischen Deutschland ausgebaut. Nach dem Anschluss übernahm das Künstlerhaus auch die Ausstellungsgebäude der Secession. Diese waren unter dem Präsidenten des Künstlerhauses, Rudolf H. Eisenmenger, bis 1944 die zentralen Orte der Propagandaausstellungen. Ab 1941 verfolgte Gauleiter Baldur von Schirach eine Kulturpolitik, die die Vorreiterrolle der Wiener Kultur in einem faschistischen Europa propagierte, was durch die Wiener Künstlerschaft mit einschlägigen Ausstellungen unterstützt wurde.

Mit dem Zerfall des NS-Regimes wurde auch die Reichskammer der bildenden Künste liquidiert. Die KünstlerInnen wurden in die neu gegründete Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs übernommen. Dazu ist im Begleittext zur Ausstellung folgendes zu lesen: “KünstlerInnen, die in der NS Zeit berufstätig waren, hatten sich individuell mit dem politischen System arrangiert. Nach dem Krieg stand der Wiederaufbau der Zweiten Republik im Zentrum der Politik und ihre Verstrickungen mit dem NS-System wurden verdrängt. Biografien schlossen an die Zeit vor 1938 an und viele KünsterInnen, die während der NS-Zeit reüssiert hatten, wurden in der Nachkriegszeit zu gefeierten Staatskünstlern der Zweiten Republik”.

Mit der fundierten wissenschaftlichen Aufarbeitung und der Ausstellung “Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien” wurde ein wichtiger Meilenstein für die kritische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Kulturpolitik gesetzt.

Sicher ist zwischen den Vielen, die sich arrangiert hatten, um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familien zu sichern, den willigen MitläuferInnen und ProfiteurInnen des Regimes und den an der nationalsozialistischen Kulturpolitik aktiv Beteiligten zu unterscheiden. Es wird aber noch weitere Forschungsarbeiten zur Aufarbeitung auch der Kulturpolitik nach 1945 brauchen. Denn diese hat nicht nur vor der NS-Vergangenheit die Augen verschlossen, sie hat auch die Wiedergutmachung an den Vertriebenen und geflüchteten KünstlerInnen um Jahre verzögert, die Vertriebenen nie zur Rückkehr eingeladen, der Ermordeten nicht gedacht.

Die Ausstellung ist noch bis 24. April 2022 zu sehen!

Adresse: Wien Museum MUSA, Felderstraße 6-8, 1010 Wien https://www.wienmuseum.at/de/ausstellungen/aktuell/ansicht/auf-linie-ns-kunstpolitik-in-wien

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertag: 10.00 bis 18.00 Uhr (24. und 31.12.2021: 10.00 bis 14.00 Uhr, Geschlossen am 25.12.2021 und 1.1.2022)

Publikation:

Die Forschungsergebnisse, ergänzt um viele Abbildungen, werden in der Publikation umfassend dargestellt:

Ingrid Holzschuh, Sabine Plakolm-Forsthuber, Auf Linien. NS-Kunstpolitik in Wien. Die Reichskammer der bildenden Künste. Birkhäuser Verlag. 344 Seiten (€ 34,-)

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