Frauen, Freiheit, Leben

Frauen, Freiheit, Leben

Der Mut der Frauen im Iran

Frauenrechte sind Menschenrechte – überall auf dieser Welt. „Frauen Freiheit, Leben“ ist der Slogan des Kampfes der Frauen im Iran, die derzeit in einer landesweiten Bewegung mit Unterstützung von breiten Teilen der Bevölkerung gegen Unterdrückung und für soziale Gerechtigkeit protestieren.

Der feministische Aufstand für mehr Freiheit und Selbstbestimmung steht dabei im Zentrum der Proteste. Das Kopftuch spielt dabei als politisches (nicht religiöses) Symbol der jahrzehntelangen Unterdrückung der Frauen und der verstärkten Einschränkung der Freiheit der Frauen in den letzten Jahren eine zentrale Rolle.  

Dazu ein kurzer Rückblick in die Geschichte: Da nach dem 2. Weltkrieg die damals herrschenden Regierung russische und britischen Eingriffe in die Souveränität des Landes nicht zurückzuweisen konnte, kam im Jahr 1925 Reza Khan durch einen Militärputsch an die Macht, der zum König (Shah) erklärt wurde. Während des zweiten Weltkriegs blieb der Iran zwar offiziell neutral, erhoffte aber einen Sieg des nationalsozialistischen Deutschlands. Im Jahr 1941 marschierten sowjetische und britische Truppen zur Sicherung der iranischen Ölfelder und des Versorgungskorridors der Alliierten für die Sowjetunion im Iran ein. In der Folge wurde der Shah abgesetzt und sein Sohn Mohammad Reza Pahlavi als Nachfolger eingesetzt. Nachdem Premierminister Mossadegh durch die Verstaatlichung der damals den Briten gehörenden Ölfelder 1953 in einem von den USA organisierten Staatsstreich abgesetzt wurde, wurde der Iran seit diesem Zeitpunkt bis zur islamischen Revolution 1979 von Mohammed-Reza Shah  mit Unterstützung der USA als absolute Monarchie regiert. In dieser Zeit erfolgten wirtschaftliche, soziale, administrative und landwirtschaftliche Reformen zur Modernisierung des Landes. Mit der islamischen Revolution 1979 wurde der Iran unter Ayatollah Ruhollah Khomeini von einer absoluten Monarchie zu einer islamischen Republik mit theokratischer Verfassung auf der Grundlage der schiitischen Auslegung des Islam. Ein detaillierte Darstellung der Geschichte des Iran finden Sie unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Irans

Der Hijab war von Anfang an eine der Säulen der islamischen Republik, die für die Unterdrückung der Frauen steht. Seit damals ist das Tragen des Hijab für Frauen verpflichtend das Nichtragen des Kopftuches eine Straftat. Mit dem tragen des Hijab verbunden ist das Recht auf Bildung und Arbeit, der Zugang zu öffentlichen Räumen und Plätzen. Frauen haben im Iran kein Recht auf Scheidung, dürfen in ein anderes Land nur mit Genehmigung ihres Vaters oder Ehemanns ausreisen, haben für ihre Kinder, wenn sie älter als sieben Jahre sind, kein Sorgerecht, ihre Aussagen vor Gericht sind nur halb so viel Wert wie die eines Mannes. Die Einschränkung der Rechte der Frauen geht so weit, dass sie in der Öffentlichkeit nicht singen und tanzen dürfen. Der Staat kontrolliert aber nicht nur das öffentliche Leben, sondern auch das Private, bis hin zur Musik und ausländischen Filmen oder Geburtstagspartys, an der Männer und Frauen teilnehmen.

Kontrolliert wird das alles seit der islamischen Revolution 1979 von der im Alltag allgegenwärtigen „Sittenpolizei“. Nach Aussage der Journalistin Natalie Amiri sollten ab Mitte August 2022 durch biometrische Gesichtserkennung in der Metro und an allen großen Plätzen Frauen, die das Kopftuch nicht richtig tragen, identifiziert und bestraft werden. Wobei die Vorgangsweise der Sittenpolizei willkürlich ist, da schon die Behauptung, die Frau hätte die Bekleidungsvorschriften verletzt, zu gewalttätigen Übergriffen, Geldstrafen oder Gefängnis führen kann.

Ausgelöst wurden die Proteste durch den Tod der 22-jährigen Zhina (Mahsa) Amini, die bei einem Besuch in Teheran von der Sittenpolizei aufgegriffen worden war und einige Tage nach ihrer Freilassung starb:  https://de.wikipedia.org/wiki/Mahsa_Amini . Schon vorher waren immer wieder Vorfälle durch die Medien gegangen, in denen Frauen von der Willkür der Sittenpolizei berichteten. Was allen diesen Vorfällen gleich war, war der Umstand, dass diese jeder Frau, an jedem Ort, zu jeder Zeit ebenfalls geschehen konnten.

Der Protest für mehr Freiheit und Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit wird von Menschen aus allen 31 Provinzen des Iran, mit unterschiedlicher politischer, sozialer und religiöser Herkunft, aus verschiedenen Schichten und Volksgruppen und jeden Alters getragen. Wobei vor allem auch viele junge Menschen an diesem quer durch die Bevölkerung gehenden politischen Protest teilnehmen. Besonders in den Schulen, die als Vermittler der Ideologie des Regimes missbraucht werden, werden diese Proteste von Schülerinnen und Schülern getragen.

Es ist ein Protest, gegen den seitens des Regimes mit größter Härte vorgegangen wird. Lt. einer Aussendung von Amnesty International zeigen Dokumente, dass seitens des Regimes angeordnet wurde, mit aller Härte gehen den Demonstranten vorzugehen. In einer Pressemitteilung vom 14. Oktober 2022 berichtete Amnesty International, dass bereits zwischen 20. und 30. September 2022 mindestens 23 Kinder im Alter von 11 bis 17 Jahren von Sicherheitskräften erschossen oder erschlagen wurden. Insgesamt wurden zwischen 19. September und 3. Oktober 2022 144 Fälle von Menschen dokumentiert, die von iranischen Sicherheitskräften getötet wurden; wobei davon ausgegangen wird, dass die tatsächliche Zahl der Opfer höher ist. Nach einem Bericht des Guardian vom 21. Oktober 2022 gab es bisher 12.500 Verhaftungen und 250 Tote: https://www.theguardian.com/world/2022/oct/21/arrests-iran-protest-crackdown-plight-thousands-in-jail

Dieser für die Menschen im Iran grundlegende Protest verdient mehr Beachtung, als ihm derzeit von den Medien geschenkt wird. Das hat einerseits damit zu tun, dass unabhängiger Journalismus im Iran nicht zugelassen wird, Auslandsjournalisten entweder ausgewiesen wurden oder von vornherein keine Visa erhalten und daher nicht von den Geschehnissen vor Ort berichten können, andererseits mit einer Internetsperre, durch die das Regime verhindern will, dass andere als offiziell gestattete Meldungen in das Ausland gelangen.

Sehr fundierte Information bietet das Schweizer Fernsehen in der Reihe SRF-Kultur-Sternstunden. Die Sendung vom 18. Oktober 2022 widmet sich unter dem Titel „Iran-Ende der Theokratie?“ diesem Thema. Das Gespräch mit Natalie Amiri, Journalistin, die 2015-2020 das ARD-Studio in Teheran leitete, und Azadeh Zamirirad, Politikwissenschaftlerin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und Iranexpertin, bietet viele Informationen und einen Einblick in die aktuelle Situation im Iran: https://www.youtube.com/watch?v=B-dgp2vFJPs (55 min)

 

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