Wien 1945

Wien 1945

Fotografien aus dem Jahr 1945

Der Befreiung Wiens im Jahr 1945 von der nationalsozialistischen Herrschaft durch die sowjetischen Streitkräfte ist eine Ausstellung im Jüdischen Museum am Judenplatz gewidmet. In ihrem Mittelpunkt stehen rund 70 Fotografien von Jewgenij Chaldej und Olga Lander, die als sowjetische Kriegsberichterstatter nach Wien gekommen waren.

Die historischen Hintergründe waren folgende: Nach den erfolgreichen Kämpfen gegen die Wehrmacht in Ungarn überschritten die sowjetischen Armeen am 29. März 1945 die damalige Grenze des Deutschen Reichs bei Klostermarienberg im Bezirk Oberpullendorf (Burgenland) und rückten in den folgenden Tagen mit 400.000 Soldaten, 400 Panzern und 7.000 Sturmgeschützen, Granat- und Raketenwerfern in Richtung Wien vor. Ihnen standen Verbände der Wehrmacht, der Waffen-SS und die fanatische Führer-Grenadier-Division mit insgesamt 28.000 Mann, davon 20.000 in Wien, mit insgesamt 52 einsatzbereiten Panzern gegenüber. Aufgrund der Aussichtslosigkeit der Lage versuchten einige Offiziere, Wien zur “Offene Stadt” zu erklären, d.h. zu einer Stadt, die nicht verteidigt wird und daher weder angegriffen noch bombardiert werden darf. Sie konnten sich jedoch gegen den Widerstand des Reichstatthalters und Gauleiters von Wien, Baldur von Schirach, nicht durchsetzen. Die Schlacht um Wien begann am 6. April und endete mit der Befreiung Wiens durch die sowjetischen Truppen am 13. April 1945.

Lockenhaus 1945 © Sammlung Erich Klein, Foto Jewgenij Chaldej

Mit der sowjetischen Armee kam auch Jewgenij Chaldej (1907-1997) als offizieller Kriegsberichterstatter nach Wien und dokumentierte damit ein zentrales Ereignis der Geschichte Österreichs. Die Ausstellung trägt den Titel “Jewgenij Chaldej. Der Fotograf der Befreiung”. In den ersten Tagen in Wien machte er Fotos von Straßenkämpfen, den Zerstörungen des Krieges, aber auch vom zivilen Leben, die wesentliche Zeugnisse dieser Zeit sind.

Jewgenij Chaldej wurde 1917 in der heutigen Ukraine geboren und stammte aus einer jüdisch-ukrainischen Familie. Als er ein Jahr alt war, wurde seine Mutter bei einem Pogrom ermordet. Bereits mit zwölf Jahren fing er an, sich mit Fotografie zu beschäftigen; seine Karriere als Fotograf begann er in den 1930er Jahren. Ab 1936 arbeitete er für das zentrale Informationsorgan TASS, das während des Zweiten Weltkriegs eine Redaktion für die Kriegsberichterstattung einrichtete. In seiner Funktion als Fotograf begleite er ab 1941 verschiedene Teilstreitkräfte der sowjetischen Armee; von Murmansk, über die Halbinsel Krim, Rumänien, Bulgarien, Ungarn bis zur Einnahme von Wien und Berlin. Nach dem Krieg musste er erfahren, dass sein Vater und seine drei Schwestern von den Nationalsozialisten ermordet worden waren. Er setzte auch nach Kriegsende seine Tätigkeit fort und dokumentierte die Potsdamer Konferenz, die Moskauer Siegesparade 1945, die Nürnberger Prozesse und die Pariser Friedenskonferenz. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft durfte er ab 1948 nicht mehr für die TASS und die Prawda arbeiten und wurde erst 1956 von der Prawda wiedereingestellt; allerdings 1972 erneut entlassen. Sein bedeutendes fotografisches Werk geriet bis Anfang der 1990er Jahre in Vergessenheit, als er durch Ernst Volland wiederentdeckt wurde. Chaldej ist 1997 in Moskau gestorben.

Hofburg 1945. 2.v.r: J. Chaldej © Sammlung Erich Klein, Foto Jewgenij Chaldej

Während Jewgenij Chaldej die Tage nach der Befreiung Wiens fotografisch dokumentiere, kam seine Kollegin Olga Lander erst einige Wochen später nach Wien und hatte die Möglichkeit, einige für die Geschichte der 2. Republik wesentliche Meilensteine zu fotografieren, wie die Übergabe des Parlaments durch den russischen Stadtkommandanten an die provisorische Regierung Renner oder die Ankündigung der ersten freien Wahlen nach dem Krieg durch Karl Renner.

Olga Lander (1909-1996) war Fotografin, die zuerst Fotolaborantin und später Fotokorrespondentin der Kosmolskaja Prawda wurde. In ihrer Funktion als Fotokorrespondentin bereiste sie in den 1930er Jahren weite Teile der Sowjetunion. Von 1943 bis 1948 war sie für die Zeitung der Südwestfront “Sowjetischer Kämpfer” im Einsatz. Nach ihrer Rückkehr nach Moskau konnte sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft erst ab 1953 wieder als Fotografin arbeiten; von 1956 bis 1974 für die Zeitung Sowjetskaja Rossija. Lander ist 1996 in Moskau gestorben. Heute werden die mehr als 3000 Fotonegative der von ihr gemachten Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg im Staatlichen Museum, im Zentralmuseum der russischen Streitkräfte im russischen Staatlichen Archiv für Film- und Fotodokumentation und in ukrainischen Museen aufbewahrt.

Die Ausstellung zeigt aber nicht nur die Befreiung Wiens und die Wochen nach Kriegsende, sondern weist vor allem mit der Präsentation von Kunst dieser Zeit bereits in die Zukunft. Gezeigt werden Frühwerke von später weltbekannten jüdischen Künstlern, die den Krieg in Wien überlebt hatten, Arik Brauer, Friedensreich Hundertwasser und Ernst Fuchs, und Werke von Oskar Kokoschka und Heinrich Sussmann, die in der Emigration überlebt haben. Ein weiterer Teil der Ausstellung ist dem Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde Wiens nach dem zweiten Weltkrieg gewidmet.

Die Ausstellung ist bis 1. November 2021 im Jüdischen Museum Wien/Judenplatz zu sehen!

Adresse: JMW Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien https://www.jmw.at/

Öffnungszeiten: Sonntag bis Donnerstag: 10:00-18:00 Uhr, Freitag 10.00-17:00 Uhr

Links:

Trailer zur Ausstellung (4:25 Minuten): https://www.youtube.com/watch?v=SYR1zWud0FE

Virtuelle Ausstellungseröffnung (mit Einführung; 19:40 Minuten): https://www.youtube.com/watch?v=iiq53Pi3E88

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