Ausstellung “Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch”

Ausstellung “Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch”

Die Geschichte eines Kleidungsstücks

Das Weltmuseum Wien widmet seine aktuelle Sonderausstellung der fast 4000jährigen Geschichte eines Kleidungsstücks, das auch auch heute noch die Gemüter bewegt: dem Kopftuch.

“Die Ausstellung zeigt, dass die Bedeutung des Kopftuchs seit jeher von den jeweiligen moralischen und politischen Umständen geprägt wurde und nicht ausschließlich als religiöser Ausdruck für die Unterordnung der Frau gelesen werden kann.” (Axel Steinmann, Kurator, Weltmuseum Wien)

Die von Marianne Hergovich und Andrea Schürz geleitete und von Axel Steinmann hervorragend kuratierte Ausstellung ist in ihrer Vielfalt, Klarheit und wissenschaftlichen Fundiertheit ein wesentlicher Beitrag zu einer entemotionalisierten Beschäftigung mit diesem Thema.

Es ist ein Stück Stoff, das neben seiner Funktion als Schutz, Hülle, Schmuck und Statussymbol immer auch eine Bedeutung hatte: es spiegelt religiöse Gesetze oder patriarchalische Zwänge, war Bestandteil von Kleiderordnungen, Ausdruck der individuellen Stellung in einer Gesellschaft, Symbol von Widerstand und Solidarität, ist Zeichen der Bedrohung der Emanzipation.

In 17 verschiedenen und eigenständigen Abschnitten werden die unterschiedlichen Bedeutungen des Kopftuchs von christlichen Madonnendarstellungen, über die Bedeutung des Männerkopftuchs bei den Maya-Priestern und auf Java, des Turbans und Schleiers im osmanischen Reich, der Kippa und dem Tallit (weißblauer Gebetsmantel) der gläubigen Juden, bis hin zum Kopftuch als politisches Symbol im Nationalsozialismus und modisches Accessoire in den 60er und 70er Jahren gezeigt.

Die Ausstellung eröffnet einen vielfältigen, kulturhistorischen und farbenfrohen Blick auf dieses Stück Stoff. Einige Beispiele möchte ich hier anführen:

Bereits im Mesopotamien markierte das Kopftuch gesellschaftliche Unterschiede und sein Fehlen die sexuelle Schutzlosigkeit der Frauen. Im römischen Reich gab es – um die Emanzipation reicher Römerinnen zu verhindern – strenge Kleidervorschriften für Frauen.

Für die christliche Welt war der Schleier seit dem 1. Jahrhundert nach Christus bis ins  20. Jahrhundert hinein Zeichen der Gehorsamkeit und Sittsamkeit: Paulus von Tarsus hat im 1. Brief an die Korinther bereits festgeschrieben, dass Frauen im Gottesdienst ihr Haupt als Zeichen der Unterordnung dem Manne gegenüber bedecken sollen.

Die Kleiderordnungen im Europa des 14.- 17. Jahrhunderts dienten der Festschreibung und Sichtbarmachung der sozialen Ungleichheit, die als ebenso gottgewollt angesehen wurde wie der Unterschied zwischen Mann und Frau.

Die Männerkopftücher auf Java waren Ausdruck individueller Stellung in der Gesellschaft und Zeichen individueller Gruppenzugehörigkeit. Die Kufiya, das Männerkopftuch, das vor allem in den ländlichen Gebieten der arabischen Welt zum Schutz vor Wind, Sonne und Sand getragen wurde, wurde später zum Symbol der Solidarität mit den Palestinensern, steht heute  für jede Art von Protest und ist gleichzeitig ein beliebiges modisches Accessoire geworden. Im osmanischen Reich  herrschten für Frauen strenge Kleiderordnungen; Kemal Atatürk  hat 1925 das Tragen von Fes (Kopfbedeckung der Männer) und Schleier verboten.

Kopftuch und Dirndl als Sinnbild einer bodenständige Alpenidylle waren Bestandteil der politischen Ästhetik des autoritären österreichischen Ständestaates und des Nationalsozialismus. Gleichzeitig war das Kopftuch aber auch als Bestandteil der Häftlingskleidung für Frauen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. In der Tourismuswerbung fanden sich Kopftuch und Dirndl auch nach dem Ende des Krieges in  Werbesujets für die alpinen Regionen Österreichs wieder.

In den 60er Jahren wurde das Kopftuch von der Modewelt neu entdeckt und zum Sinnbild für Eleganz und Luxus.

Ein wichtiger Teil der Ausstellung befasst sich mit der künstlerischen Auseinandersetzung mit Kopfbedeckungen durch Suzanne Jongmans und Tina Lechner.

In dieser Ausstellung werden die aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten bewusst nicht kommentiert, sondern ein unvoreingenommener kulturellen Dialog zu diesem Thema  ermöglicht.

Kopftuch für Frauen und Männer Tunesien, Sfax und Umgebung, vor 1914. Baumwolle, Seide. Slg. Alfred Weidholz. 128×129 cm. Weltmuseum Wien.© KHM-Museumsverband

Für eine vertiefende Beschäftigung mit dem Thema Kopftuch bietet sich der im Sonderzahl-Verlag erschienene, von Axel Steinmann herausgegebene, schön gestaltete und reich bebilderte Ausstellungskatalog “Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch” an:  https://sonderzahl.at/buch/verhuellt-enthuellt/

Die Ausstellung ist noch bis 26. Februar 2019 im Weltmuseum Wien zu sehen!

Adresse:

Weltmuseum Wien

Heldenplatz, 1010 Wien

https://www.weltmuseumwien.at/

Öffnungszeiten:

täglich, außer Mittwoch: 10.00 – 18.00 Uhr

Freitag: 10.00 – 21.00 Uhr

Mittwoch geschlossen

Kommentare sind geschlossen.