P.E.N.-Club AUSTRIA

P.E.N.-Club AUSTRIA

Online-Ausstellung des Literaturmuseums

Die aktuelle Online-Ausstellung des Literaturmuseums Wien “Engagement, Exil, Vertreibung. Der Österreichische P.E.N.-Club 1923-2023” wurde auf Initiative des österreichischen P.E.N.-Clubs zum 100. Jahrestag seiner Gründung gestaltet.

In Form von 10 Fragen wird in 10 Kapiteln die wechselvolle Geschichte des Österreichischen P.E.N.-Clubs anhand von Archivmaterialien und Fotos aus den Beständen des Österreichischen P.E.N.-Clubs schlaglichtartig nachgezeichnet, wobei die gestellten Fragen teilweise in sehr allgemeiner Form beantwortet werden.

Die internationale Schriftstellervereinigung P.E.N. (Abkürzung von Poets, Essayists, Novelists) wurde nach dem ersten Weltkrieg von der englischen Schriftstellerin Catherine Amy Dawson Scott 1921 in London gegründet. Ziel war es, durch den Austausch zwischen SchriftstellerInnen zur Sicherung des Friedens beizutragen. Zur Umsetzung dieses Vorhabens wurden auch in anderen Ländern Zweigstellen gegründet.

Der Österreichische P.E.N.-Club wurde 1923 ins Leben gerufen, mit Arthur Schnitzler als Ehrenpräsidenten, Raoul Auernheimer als geschäftsführenden Präsidenten und Grete von Urbanitzky als Generalsekretärin.

Der P.E.N.-Club war als pazifistische, unpolitische Vereinigung gegründet worden. Der Aufstieg des Faschismus und Nationalsozialismus in Europa machte es jedoch bald notwendig, Partei ergreifen zu müssen, spätestens 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland, der Gleichschaltung der Kulturpolitik, den Bücherverbrennungen und der Verfolgung, Vertreibung und Ermordung von AutorInnen. Dies betraf auch den Österreichischen P.E.N.-Club.

Nachdem sich beim P.E.N.-Kongress 1933 in Ragusa (Dubrovnik) der damalige Präsident Felix Salten und die Generalsekretärin Grete von Urbanitzky den Protesten gegen die Bücherverbrennungen nicht anschlossen, begann der Niedergang des Österreichischen P.E.N.-Club. Anhänger des katholischen und völkischen Lagers und der Nationalsozialisten traten aus, andere wurden verfolgt und mussten das Land verlassen. Eine Auseinandersetzung mit der Zeit nach 1933 und der Rolle des P.E.N.-Clubs ist jahrzehntelang nicht erfolgt und bleibt auch in der Online-Ausstellung weitgehend offen.

Nach der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich wurde der Österreichische P.E.N.-Club 1938 von den nationalsozialistischen Machthabern aufgelöst, sein Vermögen und das Archiv beschlagnahmt.

Im Exil wurde in London der Exil-P.E.N.-Club (später Free Austrian P.E.N.-Club) gegründet, der 1939 seine Tätigkeit aufnahm und 1942 dem Free Austrian Movement beitrat. Als geschäftsführender Generalsekretär fungierte Robert Neumann, der auch wesentlich an der Neugründung des Österreichische P.E.N-Clubs durch antifaschistische SchriftstellerInnen beteiligt war.

Was in der Online-Ausstellung fehlt, ist eine Beschäftigung mit der Zeit des Exils, den Mitgliedern des Exil-P.E.N.-Clubs, den zum Schweigen gebrachten, Vertriebenen und Ermordeten AutorInnen. Damit wird dieser Teil der Geschichte erneut ausgeblendet.

Mit den ermordeten oder vertriebenen Mitgliedern des P.E.N-Clubs beschäftigt sich eine von Robert Streibel, Mitglied im Vorstand des österreichischen P.E.N.-Clubs, kuratierte Ausstellung in der Volkshochschule Hietzing, die anhand von ausgewählten AutorInnen Schicksale dieser Zeit beleuchtet. Es bleibt eine offene Frage, warum sich in der Online-Ausstellung kein Hinweis auf diese Ausstellung findet (VHS Hietzing, Hietzinger Kai 131, 1130 Wien, 1. Stock, Öffnungszeiten Montag bis Donnerstag 9.00-18:00 Uhr, Freitag 9:00-13:00 Uhr, noch bis 15. Dezember 2023).

Nach dem 2. Weltkrieg wurde durch Robert Neumann und den späteren ersten Präsidenten Franz Theodor Czokor der Aufbau des Zentrums in Wien vorangetrieben. Die Wiedergründung des österreichischen P.E.N.-Clubs wurde 1947 auf der internationalen Konferenz des P.E.N. in Zürich beschlossen. Neben den antifaschistischen SchriftstellerInnen wurden bald nach der Gründung “nationalsozialistisch kompromittierte Akteure” in die AutorInnenvereinigung aufgenommen.

Ebenfalls sehr oberflächlich erfolgt die Beschäftigung der Rolle des P.E.N.-Clubs und einzelner seiner Mitglieder in der Zeit des Kalten Krieges, die neben einer Orientierung an westlichen, demokratischen Staaten auch heftige antikommunistische Tendenzen mit sich brachte.

Ein weiteres Kapitel ist dem Wirken von einflussreichen Frauen im P.E.N-Club gewidmet, wobei zwar über ihre jeweiligen Funktionen berichtet wird, ihre politischen Hintergründe aber ausgeblendet bleiben. So werden beispielsweise die Generalsekretärin Grete von Urbanitzky, deren Nähe zum Nationalsozialismus bereits 1933 deutlich wurde, und Hilde Spiel, die nach London ins Exil gehen musste und ab 1971 Vizepräsidentin des Österreichischen P.E.N-Clubs war, kommentarlos nebeneinander gestellt. Ein weiteres Kapitel der Ausstellung widmet sich der Verbindung Ingeborg Bachmanns mit dem Österreichischen P.E.N.-Club.

Da sich der Österreichische P.E.N.-Club für junge österreichische AutorInnen kaum einsetzte, sich diese durch ihn nicht vertreten fühlten und eine Reorganisation des österreichischen P.E.N.-Zentrums nicht durchgesetzt werden konnte, wurde im Jahr 1973 die Grazer Autorenversammlung (GAV) als Plattform für progressive Schriftstellerinnen gegründet. Sie wurde die Plattform der österreichischen Avantgarde und ist heute mit rund 700 Mitgliedern die bedeutendste Vereinigung in Österreich. Diese Spaltung wurde von der Grazer AutorinnenAutorenversammlung detailliert aufgearbeitet.

Die Online-Ausstellung erwähnt diese im nachhinein sehr wohl als Wendepunkt zu erkennende Gründung der Grazer Autorenversammlung zwar in einem Kapitel, wobei die gestellte Frage “Wer protestierte in den 1970er-Jahren gegen den österreichischen P.E.N.-Club?”, wenn man sich damit tiefergehend auseinandersetzen wollte, lauten müsste, “Warum kam es zu den Protesten?”

Der Österreichische P.E.N. Club verhinderte zwar mit Erfolg die Anerkennung der Grazer Autorenvereinigung als zweites autonomes Zentrum in Österreich durch den internationalen P.E.N.-Club, verlor aber durch die Spaltung zunehmend an Bedeutung. Dies zeigt sich auch daran, dass die einzige im Internet auffindbare Mitgliederliste auch längst verstorbene Mitglieder enthält, wie z.B. den ersten geschäftsführenden Präsidenten, Raoul Auernheimer.

Im Jahr 2011 musste der Österreichische P.E.N.-Club 2011 Insolvenz anmelden. In den letzten Jahren tritt er nach einer inhaltlichen Neuausrichtung verstärkt für bedrohte AutorInnen und AutorInnen, die aus dem Ausland nach Österreich kommen, ein. Die im Ausstellungstext gestellte Frage “Welchen gesellschaftlichen Beitrag kann eine Autorenvereinigung wie der P.E.N.-Club zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation leisten?” bleibt unbeantwortet. Als erster Schritt könnte eine gendergerechte Schreibweise, die Autorinnen miteinbezieht, ins Auge gefasst werden.

Diese Online-Ausstellung ist vor allem ein Musterbeispiel dafür, wie wichtig es für BetrachterInnen ist, bei Ausstellungen, die eng mit der Zeitgeschichte verknüpft sind, nicht nur das Präsentierte zur Kenntnis zu nehmen, sondern immer auch zu hinterfragen, was nicht thematisiert wird, ausgeblendet bleibt, welche Fragen gestellt oder nicht gestellt werden und ob und wie ihre Beantwortung erfolgt.

Links:

Literaturmuseum Wien: https://www.onb.ac.at/museen/literaturmuseum

Online-Ausstellung: https://www.onb.ac.at/museen/online-ausstellungen/engagement-exil-vertreibung-der-oesterreichische-pen-club-1923-2023

Grazer AutorinnenAutorenversammlung: https://www.gav.at/

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