Antisemitismus

Antisemitismus

Studienergebnisse 2018 – Entwicklungen und Herausforderungen

Antisemitismus ist kein neues, aber ein leider wieder aktuelles Thema. Er nimmt in ganz Europa stark zu; die Anzahl antisemitischer Übergriffe ist in Frankreich um 74 % und in Deutschland um 60 % gestiegen.

Für Österreich zeigt der Antisemitismus-Bericht 2017 des Forums gegen Antisemitismus eine Zunahme von 5,45 % gegenüber 2016 und damit eine Fortsetzung des Trends der letzten Jahre.

Dieser Trend steht in ganz Europa in engem Zusammenhang mit steigendem Nationalismus, dem sich verstärkenden Einfluss von rechten Gruppierungen und Regierungen und der im Internet verbreiteten Gewalt.

Der Rat der Europäischen Union hat im Dezember 2018 eine Erklärung zur Bekämpfung des Antisemitismus verabschiedet, in dem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu aufgefordert wurden, ihre Anstrengungen zur Verhinderung und Bekämpfung aller Formen des Antisemitismus zu verstärken und die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaften und Einrichtungen sicherzustellen. Dies war notwendig geworden, weil die Agentur für Grundrechte der EU festgestellt hat, dass diese Welle an antisemitischen Vorfällen einen Angriff auf die grundlegenden Werte der Europäischen Union darstellt.

In Österreich hat der Präsident des Nationalrates, Mag. Wolfgang Sobotka, die Studie „Antisemitismus 2018“ in Auftrag gegeben. Ziel der Studie war, die Forschungslücke betreffend den Status und die Entwicklung antisemitischer Tendenzen in Österreich zu schließen.

Die Ergebnisse der Studie wurden mittlerweile der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, um eine Diskussion auf der Grundlage fundierter empirischer Daten zu ermöglichen.

Im Rahmen der vom Institut für empirische Sozialforschung (IFES) und Demox Research durchgeführten Studie wurden im Zeitraum von 1. November bis 18. Dezember 2018 insgesamt 2.731 Personen ab 16 Jahren in Österreich befragt. Darunter befanden sich auch jeweils rund 300 Personen mit türkischer bzw. arabischer Muttersprache.

Die Ergebnisse der Untersuchung zu den verschiedenen Formen des Antisemitismus für die österreichische Bevölkerung in Kürze:

Manifester Antisemitismus, der sich vor allem durch rassistischen Antisemitismus und Holocaust-Leugnung zeigt, ist bei 10% der österreichischen Bevölkerung nachweisbar.

Latenter Antisemitismus, der als traditioneller, israelbezogener und sekundärer Antisemitismus sichtbar wird, liegt bei rund 30 % der Befragten vor.

  • Traditioneller Antisemitismus (insbesondere auch im wirtschaftlichen Kontext): 39 %
  • israelbezogener Antisemitismus: 34 %
  • Sekundärer Antisemitismus (unterstellt ein Ausnützen der Opferrolle): 36 %
  • Vorwurf der Assimilierungsverweigerung: 19 %
  • Rassistischer Antisemitismus: 10 %
  • Holocaust-Leugnung: 10 %
  • Religiöser Antijudaismus: 14 %

In Abweichung dazu stehen die Ergebnisse der Umfrage (Face to Face Interviews in der Muttersprache) bei den Befragten Personen mit türkischer und arabischer Muttersprache, die überwiegend schon längere in Österreich lebt. Diese Personengruppe stimmt antisemitischen Aussagen durchwegs wesentlich stärker zu als die österreichische Bevölkerung. Rassischer Antisemitismus (durchschnittlich 42 %) und Holocaust-Leugnung (durchschnittlich 37 %) sind weit verbreitet. Die Erhebung bei diesen beiden Gruppen ist laut den AutorInnen der Studie zwar nicht repräsentativ, aber aussagekräftig.

Die Studie bietet auch einen historischen Vergleich: Dieser zeigt zwar zum Teil einen erheblichen Rückgang der Unterstützung antisemitischer Stereotype, die durch die Effekte von Bildung, öffentlichkeitswirksamer Aufarbeitung und Medienberichterstattung begründet wird. Allerdings zeigt die Studie auch, dass es in den Bereichen traditioneller, israelbezogener und sekundärer Antisemitismus immer noch ein relevantes Zustimmungspotential zu antisemitischen Einstellungen gibt.

Die von den StudienautorInnen geforderte verstärkte Forschung in diesem Bereich ist als Grundlage für gezielte Maßnahmen zur Entwicklung einer gesellschaftlichen Grundhaltung der Ablehnung von Antisemitismus dringend notwendig.

Links:

IFES/Demox Research: Antisemitismus-Studie 2018: Ergebnisanalyse im Überblick. Wien 2019
http://antisemitismus2018.at

Forum gegen Antisemitismus. Antisemitismus Bericht 2017. Wien 2018 http://www.fga-wien.at

Europäischer Rat (Startseite/Presse/ Pressemitteilungen/ Pressemitteilung vom 6.12.2018) http://Data.consilium.europa.eu


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