Frauenarbeit 1870

Frauenarbeit 1870

Der Frauenpavillon der Wiener Weltausstellung und seine Folgen

Das Technische Museum in Wien hat anlässlich des 150 Jahre Jubiläums der Weltausstellung in Wien eine sehr interessante und historisch wichtige Ausstellung zu dem damals im Rahmen der Ausstellung 1873 errichteten Frauenpavillon gestaltet. Dabei werden die Hintergründe für dessen Entstehung und seine Bedeutung zur Sichtbarmachung der Frauenarbeit um 1870 und die Nachwirkungen dieser Ausstellung für die Frauenbewegung aufgerollt.

Außenansicht des Frauenpavillons “Additionelle Ausstellung”,1873. © Technisches Museum Wien/Archiv

Die Wiener Weltausstellung war die fünfte Weltausstellung und die erste im deutschsprachigen Raum. Weltausstellungen galten damals wie heute als Leistungsschauen. Im Wiener Prater wurden dafür etwa 200 Einzelbauten errichtet, ein Pavillon damals erstmals dem Thema weibliche Arbeitswelt gewidmet. Dies war vor allem durch den Einsatz der Frauen des 1867 gegründeten Wiener Frauenerwerbsvereins möglich geworden.

Auch damals war eine Zeit der Umbrüche: das im 19. Jahrhundert (und weit darüber hinaus) propagierte Bild der bürgerlichen Kleinfamilie, in denen Frauen als Hausfrauen und Mutter zu Hause bleiben und der Mann durch Erwerbsarbeit die Existenz der Familie sichert, stimmte für viele Frauen schon damals nicht mehr mit der tatsächlichen Lebenswirklichkeit überein.

Viele bürgerliche Frauen waren aber auch damals nicht verheiratet oder früh verwitwet. Frauen waren nicht nur weitgehend rechtlos, bürgerliche Frauen erhielten auch keine (Aus)Bildung, die sie auf eine Erwerbstätigkeit vorbereitete. Manche konnten Erzieherin oder Gesellschafterin werden, einige wenige Lehrerinnenbildungsanstalten besuchen. Als es nach dem Krieg von 1866 und der von Österreich verlorenen Schlacht von Königsgrätz zu einer Wirtschaftskrise kam, waren immer mehr Frauen gezwungen, sich Arbeit zu suchen. Gleichzeitig wurden durch die industrielle Revolution von den verschieden Industrien verstärkt weibliche Arbeitskräfte nachgefragt – da ihnen viel geringere Löhne gezahlt wurden als Männern.

Aus der Notwendigkeit heraus, bürgerlichen Frauen entsprechende (Aus-)Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen, entstand der Wiener Frauenerwerbsverein. Es war der erste Verein mit sowohl sozialen als auch wirtschaftliche Zielsetzungen in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Gegründet wurde er 1867 mit dem Ziel, einerseits wirtschaftlich in Not geratene Frauen durch Soforthilfen zu unterstützen und andererseits Frauen durch Ausbildung und Bildung auf ein Berufsleben vorzubereiten.

Dafür gründete der Verein bereits bis 1872, also in den ersten fünf Jahren seines Bestehens, 11 Schulen und Kurse; bis 1882 richtete er 22 Schulen und Kurse ein, darunter 1869 Kurse für Telegrafistinnen, 1873 eine Schneidereischule. 1891 wurde dann das Mädchenlyzeum gegründet, 1892 die erste gymnasiale Mädchenschule in der österreich-ungarischen Monarchie (heute: Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Wien 6, Rahlgasse) und 1910 die Handels-, Frauengewerbs- und Hauswirtschaftliche Fortbildungsschule, in der 1200 Schülerinnen unterrichtet wurden.

Postkarte des Schulhauses des Wiener-Frauen-Erwerb-Vereins am Wiedner Gürtel 68: Physiksaal, Wien, um 1915. © Technisches Museum Wien/Archiv

Aber zurück zur Weltausstellung: Der Wiener Frauenerwerbsverein spielte eine zentrale Rolle dabei, dass der Frauenpavillon eingerichtet wurde. Um die dort gezeigte Ausstellung zu organisieren, wurde bereits 1872 eine “leitende Central-Commission” gegründet (20 Männer und 32 Frauen), von denen viele auch dem Verein angehörten.

Gezeigt wurde neben Handarbeiten aus den verschiedenen Teilen der Monarchie und in Schulen angefertigte Handarbeiten auch – und dies war richtungsweisend – Frauenarbeit in der Großindustrie. Von besonderer Bedeutung war, dass nicht nur Arbeitsgegenstände und Produkte, sondern auch Fotografien von Arbeiterinnen in den Fabriken gezeigt wurden. Damit konnte erstmals einem breiten bürgerlichen Publikum der Alltag von Arbeiterinnen in unterschiedlichen Produktionszweigen, von der Landwirtschaft, Leder-, Kautschuk, Metall-, Holz-, Stein-, Glas- und Papierindustrie, über die Nahrungs- und Genussmittelerzeugung, die chemische Industrie, im Maschinenwesen, der Kommunikation und im Bauwesen vermittelt wurden. Gleichzeitig war dieser Pavillon aber auch eine Möglichkeit, sowohl die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten als auch die großen Lohnunterschiede zu thematisieren.

Der Hughes-Saal mit TelegrafistInnen im Postamt Wien 7, um 1913. © Technisches Museum Wien/Archiv

Diese Sichtbarmachung der Frauenarbeit war ein bedeutender Motor für die Weiterentwicklung der bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauenbewegung und ihren Kampf um Zugang zu Bildung, gleichen Lohn und das Frauenwahlrecht.

Eine Anmerkung am Rande: der Frauenpavillon 1873 war der erste, aber nicht der letzte: seither hat es aber immer Frauenpavillons gegeben, der nächste wird 2025 in Osaka stehen. “Der rote Faden von 1873 bis in die Gegenwart bildet der Ruf nach Gleichstellung von Frauen und Mädchen in Bildung, Arbeit und Familie” (Technisches Museum Wien)

Die Ausstellung im Technischen Museum Wien ist im 1. Stock des Museums selbst bis 2. Juli 2023 zu besichtigen, wird aber Online dauerhaft abrufbar bleiben, mit dem Ziel der Fortsetzung zur Forschung zum Frauenpavillon und den Anfängen der österreichischen Frauenbewegung.

Die Online-Ausstellung ist in folgende Abschnitte gegliedert:

  • Perspektiven: über den Frauenpavillon, Fotogalerie, Frauen und Fotografie, Frauenarbeit um 1873, Armut, Aufbruch
  • Heldinnen: über die Wegbereiterinnen und den Wiener Frauenerwerbsverein
  • Bildung: Erziehung, Bildung, Universitäten – Geschichte der Frauenbildung
  • Arbeit: Frauen in verschiedenen Fabriken und Werkstätten
  • Depot: hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich ein ganz besonderer Schatz: ein Archiv mit hochauflösenden Abbildungen und Volltext-Digitalisaten aus dem Weltausstellungsbestand des technischen Museums, Links zu zu Schriften, Archivalien und Sammlungsobjekten.

Links:

Technisches Museum Wien: https://www.technischesmuseum.at/

Online-Ausstellung “Women at Work”: https://forschung.tmw.at/exhibition/view/33987

Film: https://www.technischesmuseum.at/ausstellung/women_at_work (11min)

zum Weiterlesen: Frauenrechte in Österreich

Frauenrechte I: https://www.diespurensucherin.at/erste-frauenbewegung/

Frauenrechte II: https://www.diespurensucherin.at/frauenrechte-ii/

Frauenrechte III: https://www.diespurensucherin.at/frauenrechte-iii/

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