Villa Seeblick

Villa Seeblick

Sommerfrische am Grundlsee

Die Arbeit von Eugenie Schwarzwald hatte viele Facetten. Eine davon ist die Villa Seeblick am Grundlsee. Das “Schwarzwald´schen Wohlfahrtswerk”, in dem 1922 die gesamte Sozialarbeit organisatorisch zusammengefasst wurde, reichte von Sommerferienheimen und Landheimen, “Wiener Kinder auf´s Land”, Horten und Tagesheimstätten, die Aktion “Die Jugend hilft den Alten”, dem Lehrmädchenheim, bis hin zu Gemeinschaftsküchen in Wien und der Österreichischen Freundeshilfe in Berlin.

Zu den Sommerferienheimen und Landheimen für Kinder wurden kurz nach dem Ersten Weltkrieg mehrere Erholungsheime für Erwachsene gegründet. 1920 kaufte das Schwarzwaldsche Wohlfahrtswerk das auf einer Anhöhe in der Nähe des Ortes Grundlsee gelegene Anwesen. Es bestand aus “Wiesen, Wohnhaus, Hotel, Pferdestall, Eiskeller, Wagenremisen und Waschküche”, das allerdings von Grund auf renoviert werden musste (zitiert nach Deborah Holmes, Langeweile ist Gift. Das Leben der Eugenie Schwarzwald. Salzburg/Wien 2012, S. 283). Ab 1926 bis 1937 wurde das Sommerheim von der langjährigen Assistentin von Dr.in Eugenie Schwarzwald, Dr.in Maria Stiasny, alleinverantwortlich geführt.

Eugenie Schwarzwald vor dem Ferienheim am Grundlsee c Eleonore Stuhr

Auszüge aus dem Prospekt: “Das Sommerheim Seeblick ist weder ein Erwerbsunternehmen noch eine Wohlfahrtseinrichtung. Es ist von Dr. Eugenie Schwarzwald Erholungssuchenden, die einen schönen Ferienaufenthalt zum Selbstkostenpreise zu finden wünschen, gewidmet worden…Die Gäste, Angehörige aller freien Berufe, sind meist aus Österreich und Deutschland, aber auch Amerikaner, Dänen, Engländer und Schweden kommen gerne. Aus dieser Mannigfaltigkeit ergibt sich freundlich-bewegtes geselliges Leben, welches oft durch künstlerische Darbietungen von hohem Werte gesteigert wird. Doch ist Ruhebedürftigen die Möglichkeit gegeben, ungestört ihrer Erholung zu leben und sich nur nach Neigung und Stimmung an der Geselligkeit zu beteiligen…Die Gäste wohnen je nach Wunsch entweder im Heim selbst oder in nahegelegenen reinlichen und gemütlichen Bauernhäuschen….Die Verpflegung umfasst drei Mahlzeiten, die an kleinen Tischen im Speisesaal gemeinsam eingenommen werden…Das Heim wird alkoholfrei geführt.” (zitiert nach Leben mit provisorischer Genehmigung, Berlin, Wien, Mühlheim an der Ruhr 1988, S. 176 ff.)

Eugenie Schwarzwald hat in diesem Sommerheim ihr ganz besonderes Verständnis von Sommerfrische umgesetzt. Nach dem Krieg wurde es als Ferienheim für mittellose Erholungssuchende aus dem Mittelstand, Akademiker/innen, Künstler/innen, Wissenschaftler/innen, und Schauspieler/innen gegründet, die an diesem Ort zum Selbstkostenpreis Ferien machen konnten. Im Laufe der Jahre entwickelte es sich zu einem beliebten Treffpunkt von Wissenschaftler/innen und Künstler/innen aus dem In- und Ausland: darunter die Pianist/innen Rudolf Serkin, Greta Kraus-Dentay, der Dirigent Wilhelm Furtwängler, der Komponist, Egon Wellesz die Sängerin Lotte Leonard, der Sänger Helge Lindberg, die Schauspielerinnen Hansi Niese, Helene Weigel, Axel von Ambesser, die Schriftsteller/innen Jakob Wassermann, Egon Friedell, Manés Sperber, Theodor Czolkor, Carl Zuckmayer, Alice Herdan- ZuckmayerAlfred Döblin, Sinclair Lewis, Klabund, Thomas Mann, Karin Michaelis, die Journalistin Dorothy Thompson und die Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz. Da ebenfalls 1920 die Salzburger Festspiele gegründet wurden, zählten auch viele der dort auftretenden Künstler/innen zu den Gästen der Villa Seeblick. Auch Eugenie und Hermann Schwarzwald verbrachten hier ihre Sommer.

Die anwesenden Künstler/innen trugen auch zur Gestaltung der Abendprogramme bei. Im September 1932 fand in der Villa Seeblick zwei Wochen lang die “Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit” statt, zu deren Vortragenden auch der Begründer der Individualpsychologie, Alfred Adler, gehörte. Vielen Besucher/innen in Erinnerung geblieben sind auch die legendären Sommerfeste, die immer unter einem bestimmten Motto stattfanden.

Blick auf den Ort Grundlsee mit Trisselwand

Das Sommerheim konnte trotz der politischen Veränderungen in den 1930er Jahren, durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland und der Errichtung des klerikal-faschistischen Ständestaates in Österreich bis 1938 bestehen bleiben. Nach dem Einmarsch der Hitlertruppen und dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurden Wohnung, Schule, Wohlfahrtswerk, zerschlagen. Eugenie Schwarzwald konnte von einer Auslandsreise nicht mehr nach Österreich zurückkehren und fand in der Schweiz, in Zürich, Zuflucht. Hermann Schwarzwald und Marie Stiasny konnten unter großen Schwierigkeiten im Oktober 1938 ebenfalls in die Schweiz emigrieren. Hermann Schwarzwald starb im Jahr 1939, ein Jahr darauf Eugenie Schwarzwald.

Die Villa Seeblick wurde 1938 von der örtlichen Gendarmerie “sichergestellt”, jedoch nicht arisiert. Wie Robert Streibel in der Begleitbroschüre zur Sonderausstellung “Eugenie lebt” schreibt, konnte mit Unterstützung des späteren Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke das Haus im August 1938 an die Deutsche Krieger-Wohlfahrtsgemeinschaft, die das Areal für den Kyffhäuserbund nutzte, verkauft werden. Nach dem Krieg wurde von Dr.in Marie Stiasny, die nach ihrer Flucht in Buenos Aires lebte und die Erbin von Eugenie Schwarzwald war, ein Rückstellungsantrag gestellt. Nach dem sich die Rückstellung über Jahre hingezogen hatte, konnte sich Frau Dr.in Stiasny, mit dem Deutschen Kameradenwerk einigen; wobei heute nicht mehr nachvollziehbar ist, wie diese Einigung aussah. Dr.in Stiasny verstarb 1958 verarmt in Buenos Aires. Jedenfalls nutzte das Deutsche Kameradenwerk, später Deutscher Soldatenbund Khyffhäuser, das Haus bis 1982 (Robert Streibel, Begleitbroschüre zur Sonderausstellung “Eugenie lebt”, Schriftenreihe des Kammerhofmuseums, Band Nr. 33, S. 22ff.).

Heute steht an der Stelle der Villa Seeblick das Mondi Hotel Grundlsee. An Eugenie Schwarzwald erinnert nur mehr der Name eines der Seminarräume.

Siehe auch:

Eugenie Schwarzwald: https://www.diequerdenkerin.at/eugenie-schwarzwald/

Eugenie Schwarzwald – Wohlfahrtswerk https://www.diequerdenkerin.at/eugenie-schwarzwald-sozialwerk/

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