WW:Frauen

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Die Künstlerinnen der Wiener Werkstätte – Eine Wiederentdeckung

In der Zeit von 1900 bis etwa 1932 haben Künstlerinnen die Kunst, ihre Entwicklung und Weiterentwicklung, wesentlich mitgeprägt; ihre Leistungen wurden national und international anerkannt. Erst nach dem gravierenden Einschnitt durch Ständestaat, Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg sind die meisten Künstlerinnen in Vergessenheit geraten, da sie in den Werken der Kunsthistoriker und von den Ausstellungsgestaltern nicht mehr erwähnt bzw. gezeigt worden sind. Umso wichtiger sind Ausstellungen wie die derzeit im Museums für angewandte Kunst zu sehende Ausstellung “Die Frauen der Wiener Werkstätte”, die ihre Bedeutung sichtbar machen.

Plakat der Ausstellung, MAK

Mit dieser Ausstellung wurden durch die Kuratorin, Anne-Katrin Rossberg, und die Gastkuratorin, Elisabeth Schmuttermeier, Pionierarbeit in der Aufarbeitung der Geschichte und des Schaffens der rund 180 Mitarbeiterinnen der Wiener Werkstätte in den Jahren 1903 bis 1932 geleistet. Standen bisher vor allem die Gründer der Wiener Werkstätte, Josef Hoffmann und Kolo Moser, sowie der künstlerische Mitarbeiter Dagobert Peche im Mittelpunkt, wird nun gezeigt, wie die Künstlerinnen Stil und Ästhetik der Wiener Werkstätte geprägt und zu ihrer weltweiten Anerkennung beigetragen haben. Mehr noch: sie haben mit ihrer Tätigkeit in allen Bereichen der angewandten Kunst das Kunsthandwerk als ernstzunehmenden künstlerischen Produktionszweig etabliert und Designgeschichte geschrieben.

Es war eine Entwicklung, die historisch vor dem Hintergrund der Gründung der Kunstgewerbeschule des k.k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie im Jahr 1867 in Wien zu sehen ist, die als “Oberste Schule für das Kunstgewerbe” am 1. Oktober 1868 eröffnet wurde. Die Kunstgewerbeschule war die erste staatliche Lehrinstitution, die Frauen in den Fachschulen Zeichnen und Malerei zum Studium zugelassen hat; ab 1899 durften sie auch die Fachschulen für Baukunst und Bildhauerei besuchen. Bereits 1901 entstand als durch einen Zusammenschluss von Absolventinnen der Kunstgewerbeschule die Vereinigung Wiener Kunst im Hause, einer direkten Vorläuferin der Wiener Werkstätte.

Die Gründung der Wiener Werkstätte als Produktionsgemeinschaft von Künstlern erfolgte 1903 durch Josef Hoffmann und Kolo Moser gemeinsam mit dem Finanzier Fritz Waerndorfer. Ziel war es, im Sinne eines Gesamtkunstwerks sämtliche Bereiche des täglichen Lebens kunstvoll zu gestalten. Das reichte von der Architektur über die Inneneinrichtung, Stoffe für Tapeten, Teppiche, Vorhänge, Geschirr, Gläser, Vasen, über Mode, Taschen, Hüten, Spitzen Schmuck, E-Mail und Lederwaren bis hin zu Kinderspielzeug und Postkarten.

Charlotte Billwiller, Mathilde Flögl, Susi Singer, Marianne Leisching und Maria Likarz, Fotografie, 1924 © MAK

Die Frauen der Wiener Werkstätte waren in allen Bereichen tätig, vor allem aber in den Bereichen Grafik, Stoffdesign, Mode und Keramik. Während des Ersten Weltkriegs erfolgte die Einrichtung einer Künstlerwerkstätte, die den KünstlerInnen die Möglichkeit bot, eigene Ideen zu entwickeln und auszuführen. Da aufgrund des Krieges viele Männer zum Wehrdienst eingezogen worden waren, konnten viele Frauen die Chance nutzen, ihre Tätigkeit dort auszuüben. Bereits 1916 wurde eine eigene Modeabteilung eingerichtet und nach der Expansion um Spitzen, Mode und Stoffdesign im Jahr 1918 in der Wiener Kärntnerstrasse ein Geschäft für Sitzen, Stoffe und Beleuchtungskörper eingerichtet, für das die Künstlerinnen die Ausgestaltung der Wände und Decken übernahmen.

Maria Likarz, Entwurf für ein WW-Plakat, 1928 © MAK

Die 1920er Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs, sowohl für die Frauen, deren gesellschaftliches und berufliches Selbstverständnis und Frauenbild sich veränderte, als auch im Bereich des Designs. In den 1920er Jahren waren sie – trotz und ungeachtet der vielen Anfeindungen, denen sie ausgesetzt waren – wesentlich an der Gestaltung eines “Wiener Werkstätte Looks für Haus und Wohnung” beteiligt und schrieben im Übergang von Jugendstil zum Bauhausstil Designgeschichte.

Ihre Entwürfe wurden national und international gezeigt, wie bei der Kunstschau im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie 1920, der Gewerbeschau in München 1922, der Art-Deco-Ausstellung in Paris1925, der Art in Industry-Ausstellung in New York 1928 und der Werkbund-Ausstellung in Wien 1930. Einige waren auch Mitglieder verschiedener Künstlervereinigungen und nahmen an deren Ausstellungen teil, wie beispielsweise an den Ausstellungen der Vereinigung Wiener Frauenkunst.

Tragetasche der Wiener Werkstätte unter Verwendung des Stoffmusters Curzola von Mathilde Flögl, 1924/25 © MAK

Die gesellschaftlichen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg und die durch die Weltwirtschaftskrise bedingte Verarmung des Bürgertums führten zu einem massiven Rückgang der Käuferschicht für die von der Wiener Werkstätte produzierten hochwertigen und teuren Waren, sodass im Jahr 1932 Konkurs angemeldet werden musste. Dies und die politischen Entwicklungen dieser Zeit, Ständestaat und Nationalsozialismus, bedeuteten das Ende der Erfolgsgeschichte der Frauen in der Wiener Werkstätte.

Durch die im Zusammenhang mit der Ausstellung erfolgte Forschung konnten die Lebensgeschichten von 180 Künstlerinnen in dem zur Ausstellung erschienen Katalog nachgezeichnet werden. Dadurch wird auch sichtbar, dass viele von ihnen in die Emigration gehen mussten und einige von Nationalsozialisten ermordet wurden. Geblieben ist uns ihr richtungsweisendes Werk, das mit über 400 Ausstellungsstücken im Museum für angewandte Kunst präsentiert wird.

MAK-Ausstellungsansicht, 2021
DIE FRAUEN DER WIENER WERKSTÄTTE
Vally Wieselthier, Flora, 1928
MAK-Ausstellungshalle © MAK/Georg Mayer

Die Ausstellung ist noch bis 3. Oktober 2021 im Museum für angewandte Kunst in Wien zu sehen!

Adresse: MAK-Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien https://www.mak.at/

Öffnungszeiten: Dienstag 10:00-21:00 Uhr, Mittwoch-Sonntag 10:00-18:00 Uhr – Achtung: Timeslot-Buchung erforderlich!

Katalog: Zur Ausstellung ist ein umfangreicher, reichbebilderter, Katalog erschienen, mit dem ein wissenschaftliches Grundlagenwerk über die Künstlerinnen der Wiener Werkstätte vorgelegt wurde: Christoph Thun Hohenstein, Anne-Katrin Rossberg, Elisabeth Schmuttermeier (Hg.), Die Frauen der Wiener Werkstätte. Birkhäuser Verlag GmbH, Basel 2020

Links: Einführungen in die Ausstellung

Führung durch und Einführung in die Ausstellung “Die Frauen der Wiener Werkstätte” durch die Kuratorinnen (Film, 15 min): https://www.youtube.com/watch?v=XxnQZm26Uts

Audioeinführung in die Ausstellung “Die Frauen der Wiener Werkstätte” (24min): Audiotour – Die Frauen der Wiener Werkstätte von MAK – Museum für angewandte Kunst (soundcloud.com)

Felice Rix, WW-Stoffmuster Gespinst, 1924 © MAK
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