Auftritt der Frauen

Auftritt der Frauen

Eine Wiederentdeckung

Die Ausstellung „Auftritt der Frauen. Künstlerinnen in Linz 1851-1950“ im Nordico Stadtmuseum in Linz präsentiert in einer Überblicksausstellung Werke von rund 30 Künstlerinnen aus dieser Zeit. Künstlerinnen, die großartiges geleistet haben, zu ihrer Zeit anerkannt und geachtet waren, die Linzer Kunstszene mitgeprägt haben und in wichtigen Ausstellungen vertreten waren, die jedoch seit den 1950er Jahren in der Kunstgeschichtsschreibung nicht mehr aufscheinen, weitgehend unbeachtet blieben, deren Arbeiten unterschätzt, nicht gewürdigt, in den Depots zwar vorhanden, aber nie ausgestellt und daher nicht wahrgenommen wurden. Obwohl sich die Hälfte der in der Ausstellung präsentierten 300 Exponate in den Sammlungen der Museen der Stadt Linz befindet, werden viele der großartigen Werke im Rahmen dieser Ausstellung erstmals wieder öffentlich gezeigt. Sehr engagierte Frauen und ihr Team haben diese Ausstellung möglich gemacht: die Leiterin des Nordico Stadtmuseum, Andreas Bina, die Kuratorin Sabine Fellner und die Ausstellungorganisatorin Lisa Schmidt.

Ausstellungsfolder, Deckblatt

Anlass für die Ausstellung war das Manuskript “Erinnerungen” der Malerin Agathe Schwabenau (1857-1950), die aktiv im Oberösterreichischen Kunstverein tätig war und sich in der Kunst- und Kulturpolitik der Stadt Linz engagierte. Ausgehend von diesen Erinnerungen und den Fragen wer zu dieser noch Zeit noch ausgestellt hat, wo die Orte der Kunst in der Stadt waren und wer die Künstlerinnen waren, die damals gewirkt haben, haben die Kuratorinnen die Ausstellung gestaltet.

Nach Sabine Fellner, der Kuratorin der Ausstellung, zeigt die Ausstellung, „dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur ein Teil der reiche lokalen weiblichen Kunstproduktion dieser einhundert Jahre fassbar ist. Vieles ging verloren, vieles schlummert aktuell unerkannt in privatem Besitz. Die in dieser ersten Überblicksausstellung präsentierten Werke … sind erst als Beginn für eine vertiefende Auseinandersetzung mit weiblichem Kunstschaffen zu verstehen.“

Agathe Schwabenau, Selbsportrait mit Farbpalette, 1905 Privatsammlung Tübingen

Frauen waren bis 1918 vom öffentlich-politischen Leben Leben weitgehend ausgeschlossen, im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch war (bis 1975!) der Mann als Oberhaupt der Familie festgeschrieben, der Zugang zu Ausbildung und höherer Bildung für Frauen bis 1918 sehr eingeschränkt. Für Künstlerinnen war es bis 1920, als Frauen an die Akademie zugelassen wurden, schwierig, eine umfassende Ausbildung zu erhalten. Hauptgründe, warum Frauen so lange von den Akademien ausgeschlossen wurden, waren das hartnäckige Vorurteil, dass Frauen selbst nicht Fähigkeit besäßen, kreativ zu sein, und das Aktstudium, das man für Frauen für unschicklich hielt. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Grund, war die Angst der Männer vor der Konkurrenz der Frauen auf dem Kunstmarkt. Aus diesem Grund war der Kunstunterricht für Frauen überwiegend auf das Kopieren alter Meister beschränkt.

Rudolf Eitelberger, Kunsthistoriker und Gründer der Kunstgewerbeschule in Wien (1867), eine der ersten Kunstschulen, zu denen Frauen wenigstens eingeschränkten Zugang hatten, beschrieb die Anforderungen an weibliches Kunstschaffen folgendermaßen: „Zartes Empfinden, unermüdlicher Fleiß und unbeugsame Geduld müssen dem Blumenmaler zu Gebote stehen, soll er sein Ziel erreichen, und wem wären diese Eigenschaften in vollerem Maße zuteil, als dem Weibe“ (Zitat aus einem Begleittext zur Ausstellung)

Emilie Mediz-Pelikan, Blick auf Lacroma, 1902 Privatsammlung, Wien

Die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten waren der Grund für das Entstehen von durch Frauen gegründete private Kunstschulen, die eine ernsthafte Kunstausbildung anboten. In Linz war es Agathe Schwabenau, die nicht nur Malerin war, sondern sich auch aktiv in der Kunst-und Kulturpolitik der Stadt engagierte, die 1896 gemeinsam mit Michaela Pfaffinger die erste Malschule für Frauen im Rahmen des Oberösterreichischen Kunstvereins gründete. Bereits 1898 folgte die Gründung einer weiteren Malschule für Frauen durch Rosa Scherer, einer Schülerin der Stimmungsimpressionistin Olga Wiesinger-Florian. Bertha Tarnóczy, eine in Wien, München und Linz bekannte Malerin, leitete nach dem plötzlichen Tod von Michaela Pfaffinger die Malschule, führte den Unterricht in eigenständiger Komposition ein und brachte den Schülerinnen das Naturstudium nahe. Weiters waren für Künstlerinnen die Damenakademie in München und die Künstlerkolonie Dachau, damals Zentrum der Freilichtmalerei und Sitz der Malschule Neu-Dachau, von Bedeutung. In der Zwischenkriegszeit bot die Kunstschule des Kölner Malers Matthias May fundierten Unterricht im Akt- und Anatomiestudium an und eröffnete einen Zugang zu den modernen Kunstströmungen dieser Zeit. Erst 1947 wurde die Kunstakademie in Linz gegründet.

Olga Jaeger, Afrikanerin, ca. 1920
Nordico Stadtmuseum Linz

In der Ausstellung werden Werke von Eleonore Auegg-Dilg, Franziska Baernreither, Gudrun Baudisch, Margret Bilger, Helene Clodi-Titze, Vilma Eckl, Elli Fürböck, Emmy Haesele, Olga Jaeger, Tina Kofler, Sophie Koko, Paula May-Pillesmüller, Emilie Mediz-Pelikan, Fanny Newald, Margarete Pausinger, Michaela Pfaffinger, Rosa Scherer, Emilie Schleiss-Simandl, Maria Schrangl, Agathe Schwabenau, Jutta Sika, Emmy Sommerhuber, Louise Spannring, Bertha Tarnóczy, Marinanne Woitsch und Franziska Zach gezeigt. Darüber hinaus auch Künstlerinnen, die in Gastausstellungen vertreten waren und die für die Linzer Szene wichtig waren: Malerinnen Marie Egner, Olga Wiesinger-Florian, Tina Blau, Emma Schlangenhausen und Käthe Kollwitz.

Sophie Koko, Himmel, 1934 Nordico Stadtmuseum Linz

Künstlerinnen waren seit 1851 in der lokalen Kunstszene präsent, mit der Kunstszene der Frauen in Wien, Salzburg, Düsseldorf, München und Berlin bestand reger Austausch. Die Künstlerinnen waren Mitglieder im Oberösterreichischen Kunstverein sowie in den in der Zwischenkriegszeit entstandenen Künstlervereinigungen Ring und März und haben in vielen bedeutenden Ausstellungen im In- und Ausland teilgenommen; darunter in Ausstellungen der Wiener Secession, der Münchner Secession und des Hagenbundes und nach dem Zweiten Weltkrieg an der XXV. Biennale von Venedig und in der Albertina. Während es die Frauen Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts schafften, sich trotz der schwierigen Anfänge einen Platz als Künstlerinnen zu erobern, haben Kunstpolitik und Kunstgeschichtsschreibung ab den 1950er Jahren Künstlerinnen systematisch “vergessen”.

Als 1949 der Oberösterreichische Kulturverein reaktiviert wurde, wurde in seiner Ausstellung auf die Teilnahme von Künstlerinnen verzichtet; im Jahr 1951, zum 100 jährigen Bestehen des Oberösterreichischen Kunstvereins, war in der Ausstellung “Österreichische Malerei der letzten hundert Jahre” keine einzige Künstlerin vertreten. (Anmerkung am Rand: wer den Oberösterreichischen Kunstverein googelt, wird unter LinzWiki feststellen müssen, dass bei der exemplarischen Aufzählung der Mitglieder des Vereins noch immer keine einzige!!! der in der Ausstellung gezeigten Linzer Künstlerinnen erwähnt wird.)

Es hat hat weitere 70 Jahre gebraucht, um mit dieser sehenswerten Ausstellung die Werke Frauen wieder aus den Depots zu holen, ihr herausragendes Schaffen entsprechend zu würdigen und ihnen ihren Platz in der Kunstgeschichte zurückzugeben.

“Wir können die Vergangenheit nicht ändern….und die Diskriminierung von Frauen über so viele Jahrhunderte nicht rückgängig machen. Aber die systematische Entfernung weiblicher Geschichte, weiblichen Lebens, weiblicher Verdienste aus der Vergangenheitsüberlieferung: Die können wir ändern” (Nina Schedlmayer, Katalog, S. 45).

Die Ausstellung “Auftritt der Frauen” ist damit ein wesentlicher und richtungsweisender Beitrag zur Kunstgeschichte und der Geschichte der Frauen.

Die Ausstellung ist noch bis 10. Oktober 2022 im Nordico Stadtmuseum Linz zu sehen!

Adresse: Nordico Stadtmuseum Linz, Dametzstraße 23, 4020 Linz ( 1 Raum im Erdgeschoss und 1. OG) https://www.nordico.at/ausstellungen/auftritt-der-frauen

Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag 10:00-18:00 Uhr, Donnertag 10.00-19:00 Uhr

Katalog: Für alle, die sich noch eingehender mit der Geschichte der Künstlerinnen in Linz beschäftigen wollen, ist zur Ausstellung eine reich bebilderte, umfassende Publikation erschienen:

Andrea Bina, Sabine Fellner (Hrsg.), Auftritt der Frauen. Künstlerinnen in Linz 1851-1950. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2022.

Film: Auf der Homepage des Nordico https://www.nordico.at/ausstellungen/auftritt-der-frauen und auf YouTube ist der dreiteilige Film der Linzer Regisseurin und Künstlerin Alenka Maly über die Malerin Agathe Schwabenau zu finden: Biografie Teil 1 (Dauer: 7:19 min), Biografie Teil 2 (Dauer: 7:34 min), Biografie Teil 3 (Dauer: 3:34 min).

Paula May-Pillesmüller, Stillleben mit Zitronen, 1920 Lentos Kunstmuseum Linz

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