Kosten der Gewalt

Kosten der Gewalt

Gewalt gegen Frauen hat ihren Preis

Das “Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt”, kurz Instanbul- Konvention genannt, ist ein völkerrechtlicher Vertag, der in Österreich mit 14. November 2013 ratifiziert wurde und 2014 in Kraft getreten ist.

Zweck des Übereinkommens ist lt. Kapitel I, Artikel 1: “Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen; einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern, auch durch die Stärkung der Rechte der Frauen zu fördern; einen umfassenden Rahmen sowie umfassende politische und sonstige Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung aller Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu entwerfen”.

Die Definition des Begriffs ‘häusliche Gewalt’ umfasst gemäß den Erläuterungen zur Konvention “alle körperlichen, sexuellen, seelischen oder wirtschaftlichen Gewalttaten, die innerhalb der Familie oder des Haushalts unabhängig von den biologischen oder rechtliche anerkannten familiären Bindungen vorkommen”.

Die Istanbul-Konvention ist als Maßstab für internationale Rechtsvorschriften zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. In den Erläuterungen zur Konvention wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Definition von ‘Gewalt gegen Frauen’ eindeutig klarstellt, dass diese als Verstoß gegen die Menschenrechte und eine Form von Diskriminierung verstanden werden muss.

Auf der Grundlage der Definition von Gewalt der Instanbul-Konvention hat das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen – EIGE eine Studie zur Schätzung der Kosten von geschlechtsspezifischer Gewalt in der Europäischen Union, damals noch einschließlich des Vereinigten Königreichs, durchgeführt.

Geschlechtsspezifische Gewalt wird als Gewalt, die sich gegen eine Person aufgrund ihres Geschlechts richtet, definiert, wobei die Mehrheit der Opfer Frauen und Mädchen sind.

Untersucht wurde die Anwendbarkeit von Methoden für die Kostenschätzung im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Datenquellen, die anhand einer Fallstudie, für die die Daten des Vereinigten Königreichs herangezogen wurden, überprüft wurden. Ausgehend vom Ergebnis der Fallstudie wurden die Zahlen für die gesamte EU hochgerechnet.

Ziel der wissenschaftlichen Studie war die Ermittlung von geeigneten Methoden zur Messung der Kosten von geschlechtsspezifischer Gewalt und Gewalt in Paarbeziehungen in den EU-Mitgliedsstaaten . Hinsichtlich der Kosten wurden drei Hauptarten definiert, und zwar entgangene Wirtschaftsleistung, Bereitstellung von Dienstleistungen, einschließlich Gesundheits-, Rechts- Sozial- und Spezialdienstleistungen, und die persönlichen, physischen und psychischen Auswirkungen, auf das Opfer.

Das Ergebnis der Schätzung der Folgekosten, die durch geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in der EU verursacht wird, beläuft sich auf fast 226 Milliarden Euro! Dies entspricht 87% der Gesamtkosten geschlechtspezifischer Gewalt von 256 Milliarden in der EU.

Weiters wurden Schätzungen über die Folgekosten geschlechtsspezifischer Gewalt durchgeführt: Demnach beträgt der volkswirtschaftliche Verlust durch Produktionssausfälle aufgrund von Verletzungen etwa 12 %; 30 % der Kosten entstehen durch Dienstleistungen, insbesondere im Bereich der Strafverfolgung. Aufwendungen für “spezialisierte Dienstleistungen” (wie z.B. Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser: diese Aufwendungen entsprechen nur 3 % (!) der Kosten von Gewalt gegen Frauen. Die Kosten der physischen und psychischen Auswirkungen der Gewalt werden auf etwa 50 % geschätzt.

Eines der Detailergebnisse der Studie war, dass man die detaillierte Fallstudie wegen oftmals mangelnder und unzureichender Daten zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt und Gewalt in Paarbeziehungen nicht so einfach auf andere Länder übertragen kann. Als Beitrag zur Verbesserung der Datenerhebung und Bereitstellung umfassender und zuverlässiger Daten wurden von EIGE ausgehend vom Status quo für alle Mitgliedsstaaten der EU Empfehlungen betreffend die Verbesserung der Datenlage erarbeitet, auch für Österreich.

Die wesentlichsten Empfehlungen für Österreich sind im Bereich der Gesetzgebung die Verstärkung der Verpflichtung zur Verbesserung der administrativen Datenerhebung und ein neuer nationaler Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt, der Maßnahmen zur Verbesserung der Datenerhebung enthält. Im Bereich der Datenerhebung selbst sollte eine Verbesserung der Klassifizierung der Opfer-Täter-Beziehung und eine differenzierte Darstellung der Art der Partnerschaften, eine Erhebung von Daten über alle der Polizei gemeldeten Fälle und die jährliche Veröffentlichung detaillierter Daten aus dem Polizei- und Justizbereich erfolgen. Im Hinblick auf die Zusammenarbeit wird die Einrichtung einer zentralen Webdomäne für Statistiken über Gewalt gegen Frauen empfohlen.

Durch die Aktivitäten zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen trägt EIGE wesentlich dazu bei, das Ausmaß und die gesellschaftliche Bedeutung von Gewalt sichtbar und ihre Auswirkungen durch die Schätzung der Folgekosten deutlich zu machen. Dies ist besonders in einer Zeit, in der konservative PolitikerInnen verstärkt die Notwendigkeit von Einrichtungen für von Gewalt betroffene Frauen in Frage stellen, deren professionelle Arbeit geringschätzen und durch unzulängliche Finanzierung massiv erschweren, von besonderer Bedeutung.

Links:

EIGE – European Institute for Gender Equality: https://eige.europa.eu/

Data collection on intimate partner violence by the police and justice sectors: Austria https://eige.europa.eu/publications/data-collection-intimate-partner-violence-police-and-justice-sectors-austria

Istanbul Konvention (Übereinkommen und erläuternder Bericht in deutscher Sprache): https://rm.coe.int/1680462535

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