Belvedere

Belvedere

Geschichte einer Staatsgalerie

Das Belvedere feiert heuer 300 Jahre seines Bestehens. Als Sommerresidenz von Prinz Eugen von Savoyen wurde der damals noch vor den Toren Wiens gelegene Gebäudekomplex bestehend aus dem Oberen und Unterem Belvedere und einer barocken Gartenanlage, im Jahr 1723 fertiggestellt.

Beide Gebäude wurden vom angesehenen Barockarchitekten Johann Lukas von Hildebrandt im Stil des Spätbarock errichtet. Bereits im Jahr 1717 wurde der Bau des Untere Belvedere als “Orangeriegebäude” abgeschlossen. Das Obere Belvedere, zuerst als “Gartenpavillion” gedacht, wurde auf Wunsch des Bauherrn als Repräsentationsbau zur Schlossanlage erweitert und daher erst einige Jahre später fertiggestellt.

Johann August Corvinus (Stecher) nach Salomon Kleiner (Zeichner), Prospekt des Gartens des Prinzen Eugen (“Vogelschauplan”), 1731 Bibliothek des Belvedere, Wien

Prinz Eugen war nicht nur der bedeutendste Feldherr seiner Zeit, sondern auch Hofkriegsratspräsident, Diplomat und 1716 bis 1724 Statthalter der österreichischen Niederlande, Kunstsammler und Kunstmäzen. Nach seinem Tode 1736 fiel sein Vermögen an seine Nichte, von der das österreichische Kaiserhaus seine Schlösser, das Stadtpalais in der Himmelpfortgasse in Wien, Schloss Hof und Schloss Belvedere erwarb.

Unter Maria Theresia und Kaiser Josef II. erfolgte 1775 bis 1777 die Neuordnung der bisher in der Stallburg, einem Teil der Hofburg, untergebrachten kaiserlichen Kunstsammlung und deren Aufstellung im Oberen Belvedere. Gleichzeitig erfolgte die Öffnung der Sammlung für die Öffentlichkeit. Damit ist das Belvedere eine der ältesten öffentlich zugänglichen Kunstsammlungen der Welt.

Vinzenz Fischer, Allegorie auf die Übertragung der kaiserlichen Galerie in das Belvedere, 1781 Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Die Ausstellung “Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst” im Unteren Belvedere läutet das Jubiläumsjahr 2023 ein. Mit der Ausstellung soll anhand der Geschichte des Hauses und der seit 1777 für die Öffentlichkeit geöffneten kaiserlichen Gemäldesammlung deren Entwicklung anhand von Beispielen aus den Sammlungs- und Archivbeständen des Hauses nachgezeichnet werden.

Anhand von beispielhaft ausgewählten Bildern werden die Sammlungstätigkeit mit ihren unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, Zu- und Abgänge von Werken
aus der Sammlung aufgrund von Museumsreformen und Tauschgeschäften, der Aufbau der Sammlung österreichischer Kunst im 19. Jahrhundert vermittelt. Die kaiserliche Gemäldegalerie bestand bis 1891. In diesem Jahr wurde das neu erbaute Kunsthistorische Museum eröffnet, das die Bestände der bisherigen kaiserlichen Galerie übernahm.

Danach erfolgte der Umbau des Oberen Belvedere zur Residenz des Thronfolgers Franz Ferdinand. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, unter dem Einfluss der Wiener Sezession, wurde vom österreichischen Staat, vom Land Niederösterreich und der Stadt Wien für fünf Jahre zur Präsentation zeitgenössischer österreichische Kunst im internationalen Kontext 1903 die Moderne Galerie gegründet, die im Unteren Belvedere einen provisorischen Aufstellungsort fand. Danach wurde die Moderne Galerie als rein staatliche Galerie weitergeführt, 1912 in k.k. Österreichische Staatsgalerie umbenannt und ihre Aufgabestellung dahingehend erweitert, dass sie einen Querschnitt österreichischen Kunstschaffens vom Mittelalter bis zu Gegenwart zeigen sollte.

Nach dem 1. Weltkrieg, dem Zerfall der Monarchie und der Gründung der Republik Österreich
wurde die Galerie im Jahr 1921 in Österreichische Galerie umbenannt. Im Oberen Belvedere wurde die Galerie des 19. Jahrhunderts, im Unteren Belvedere eine Barocksammlung und in eigenen Räumlichkeiten eine Sammlung zeitgenössischer Kunst unter dem Namen Moderne Galerie eingerichtet. 1924 wurde im Oberen Belvedere die Galerie des 19. Jahrhunderts eröffnet. Gleichzeitig wurden die Bestände an gotischer Kunst dem Kunsthistorischen Museum und die grafischen Bestände an die Albertina abgetreten.

Moderne Galerie 1903 © Belvedere, Wien

Eine der wichtigsten Aspekte dieser Ausstellung ist die Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus 1938 bis 1945. Bereits kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde die Moderne Galerie geschlossen, der bisherige Direktor unverblümt aufgefordert, seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen einzureichen und von den Nationalsozialisten als Leiter der Kunsthistoriker Bruno Grimschitz eingesetzt, der von 1939 bis 1945 Direktor der österreichischen Galerie war. Seine Rolle ist eng mit der nationalsozialistischen Kulturpolitik verflochten: er war einer der Hauptakteure des Kunstraubs der Nationalsozialisten durch die Arisierung der privaten Wiener Kunstsammlungen. Dadurch nahm die Österreichische Galerie als Akteurin der rassistischen Beraubungs- und Kulturpolitik des Nationalsozialismus eine zentrale Rolle ein und hat in großem Ausmaß davon profitiert.

Dieser unrühmlichste Teil der Geschichte des Museums wurde erst nach Anerkennung der sog. Washingtoner Prinzipien zur Identifizierung und Rückgabe von entzogenen Kunstwerken durch Österreich (1998) und durch die Provenienzforschung zur Geschichte der ab 1933 erworbenen Werke aufgearbeitet. Erst mit dem Erlass des Bundesgesetzes zur Rückgabe von Kunstwerken im Jahr 1998 kam es zu zahlreichen Restitutionen von unrechtmäßig im Bestand des Museums befindlichen Kunstwerken an die rechtmäßigen Erbinnen der ehemaligen Eigentümer:innen. Der wohl bekannteste Fall ist die Rückgabe von Bildern von Gustav Klimt. Die Geschichte dazu wurde 2015 in dem sehr sehenswerten Film “Die Frau in Gold” erzählt.

In den Jahren 1944/45 wurden durch das Kriegsgeschehen sowohl das Schloss als auch der Park durch Bombentreffer verwüstet. Der Wiederaufbau begann 1947. Das Untere Belvedere mit den Barock- und Mittelaltersammlung wurden 1953, die Galerie des 19. und 20. Jahrhunderts im Oberen Belvedere 1954 wieder geöffnet.

Gerhart Frankl, Wiedersehen mit Wien II, 1948 © Belvedere, Wien

Ab Ende der 1950er-Jahre begann man in Kooperation mit der Stadt Wien mit Großausstellungen internationaler Kunst der Moderne, die Werke von Van Gogh, Paul Gaugin und Paul Cézanne zeigten, damit, breiteren Bevölkerungsschichten internationale Kunst zu vermitteln.

Im Jahr 2002 kam dann noch das vor seiner Übersiedlung ins Museumsquartier vom mumok (Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien) von 1962 bis 2021 im Jahr 2002 früher sogenannte “20er-Haus” an das Belvedere. Nach umfassender Renovierung wird es als 21er Haus wiedereröffnet, später in “Belvedere 21” umbenannt und zeigt Ausstellungen zeitgenössischer Kunst.

Die Ausstellung “Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst” gibt einen Überblick über die wesentlichsten Eckpunkte der Geschichte des Museums und durch die Präsentation von Meisterwerken vom Mittelalter bis zur Gegenwartskunst auch über die Ankaufstätigkeit der in manchen Fällen sehr vorausblickenden Direktoren.

Eine Aufzählung der Künstler:innen liest sich wie ein Lexikon der Kunstgeschichte: von Meistern aus dem 14. und 15. Jahrhundert, dem Barockmaler Johann Michel Rottmayer, den Biedermeiermalern Friedrich von Amerling, Josef Danhauser und Georg Friedrich Waldmüller, über Hans Makart, Edgar Degas, Tina Blau, hin zur Wiener Sezession mit Gustav Klimt und Kolo Moser; Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Lovis Corinth und Vertreter:innen der Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute, wie Fritz Wotruba, Arnulf Rainer, Maria Lassing und Valie Export.

Sergius Pauser, Die Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrags, 1956 Artothek des Bundes, Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

In der Geschichte Österreichs ist das Belvedere jedoch weit mehr als nur eine Gemäldegalerie. Durch die Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955, mit dem der Abzug der Siegermächte vereinbart wurde und die Souveränität Österreichs als freie und unabhängiger Staat wiederhergestellt wurde, ist das Obere Belvedere mit dem Marmorsaal im 1. Stock auch für die Zeitgeschichte ein historisch bedeutender Ort.

Die Ausstellung ist noch bis 7. Jänner 2024 im Unteren Belvedere zu sehen!

Adresse: Unteres Belvedere, Rennweg 6, 1030 Wien https://www.belvedere.at/

Öffnungszeiten: Montag-Sonntag 10:00 – 18:00 Uhr

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